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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm
Autoren: Jacques Berndorf
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Und er hatte unumwunden eine stille Liebe zu den Grünen gepflegt und auch dazu gestanden: »Ein chaotischer, liebevoller Haufen, der sich kindlich naiv darüber aufregt, dass andere schon gehandelt haben, während man selbst noch wild diskutiert.« Besonders zur Grünsten aller Grünen hatte er eine deutliche Zuneigung gefasst – Wilma Bruns aus Stadtkyll. Die Zuneigung war durchaus erwidert worden. Wilma hatte mir mal kichernd zugemurmelt: »Also, wenn er nicht so toll verheiratet wäre und ein bisschen weniger katholisch, würde ich ihm einen unsittlichen Antrag machen.« Oft hatte Driesch mit Wilma, dem neongrünen Herz der Eifel, vor seinem alten Bauernhof gesessen, und die geduldige Anna hatte endlos Kaffee und edle Schnäpse aus der Eifel aufgetischt.
    Und nun war Jakob Driesch tot, ein toter Politiker. Ich ging in das Haus und holte mir das rot gestreifte Buch der Bundestagsabgeordneten aus dem Regal. Zweiundfünfzig Jahre war er alt geworden, nicht mehr als zweiundfünfzig Jahre. Mir fiel der Satz ein: Wen die Götter lieben, den holen sie früh zu sich. Die Götter waren im Fall des Jakob Driesch arg ungeduldig gewesen.
    Aber wer hatte den Göttern geholfen und diesen Mann erschossen? Ein Irrer, ein Verrückter, ein Betrunkener?
    Morgens um vier Uhr in Monschau, nur ein paar tausend Meter von der belgischen Grenze entfernt, in der Nacht von Sonntag auf Montag. Ob es noch stockdunkel gewesen war oder war der Himmel schon hell? – Mondkalender, wo war der Mondkalender?
    Ich sah nach. Der Sonnenaufgang hatte an dem Tag erst etwa eine Stunde später stattgefunden. Also hatte es nur einen hellen Schimmer im Osten gegeben, der das Städtchen im engen Tal der Rur noch nicht erreicht haben konnte.
    Ich hätte eigentlich dringend Wilma Bruns anrufen müssen. Wahrscheinlich hockte sie zu Hause und betrank sich weinend. Sie hatte einen Freund verloren, vielleicht mehr als das, vielleicht einen geliebten Partner.
    Ich stopfte mir die helle Olivenholzpfeife, die mir Ute aus Malta mitgebracht hatte, und ging zurück in den Garten.
    Die drei Kater hatten sich mittlerweile auf meiner Liege breit gemacht, lagen nebeneinander auf dem Rücken, hielten die Vorderpfoten artig geknickt vor dem Leib und schliefen so fest, dass sie nicht einmal blinzelten, als ich mich beschwerte. Ich nahm die Liege hoch und schüttelte die Kater herunter. »Das ist ja wohl die Höhe! Ich bin euer Ernährer, verhaltet euch gefälligst entsprechend.« Sie nahmen mich nicht ernst, krochen unter die Liege und setzten ihren Schlaf fort.
    Klein-Fritzchen, der kleinste der Goldfische, der immer noch nicht länger als drei Zentimeter war, lag in einem Bett aus Grünalgen in fünf Zentimeter tiefem Wasser und schlief ebenfalls. Ich stupste ihn mit einem langen Grashalm. Widerwillig bewegte er sich zwei Zentimeter, um dann weiterzuträumen. Es war eben ein träger Tag und ich hoffte auf ein kühlendes Gewitter, das die Hitze ein wenig eindämmen würde.
    Wer wohl für den Fall zuständig war? Die Kripo aus dem dreißig Kilometer entfernten Aachen wahrscheinlich. Und wahrscheinlich würden sich irgendwelche zuständigen und nicht zuständigen Geheimdienste um diesen brutalen Tod kümmern. Mit Sicherheit der tatsächlich zuständige Verfassungsschutz sowie der Militärische Abschirmdienst, weil Driesch mit der Bundeswehr zu tun gehabt hatte. Vermutlich auch der BND, weil man einen Bundestagsabgeordneten nicht erschießen kann, ohne diesen elitären Haufen aufzuscheuchen.
    Die Zeitungsausschnitte, die mir Hubert vom Venn mit freundlichen Grüßen aus der Walachei gefaxt hatte und die mich so ins Grübeln gebracht hatten, stammten von Dienstag. Heute war Mittwoch, der Tod des Jakob Driesch war also drei Tage alt, und inzwischen gab es vermutlich von Aachen bis Trier, von Monschau bis Daun kein anderes Gesprächsthema mehr als dieses.
    Ich holte mir den Trierischen Volksfreund, um nachzulesen, was die schrieben.
    Viel Neues gab es nicht zu vermelden. Noch immer gab es nicht mal eine Ahnung, weshalb Driesch überhaupt in Monschau gewesen war. Seine Frau hatte
    ausgesagt, er habe entgegen seiner sonst üblichen peniblen Art nur erwähnt, er würde einige Bekannte treffen, sei aber nach einer Stunde wieder daheim. Das war am Sonntagabend gegen neunzehn Uhr gewesen. Sie habe keine Idee, wen ihr Mann getroffen haben könnte. Und ihr sei nicht das Geringste an ihm aufgefallen, er sei gewesen, wie er immer war: gut gelaunt und begierig darauf, sein neues Büro in
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