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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll
Autoren: Jacques Berndorf
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auf einer alten Decke in der Küche. In drei Stunden etwa würde ihre innere Uhr sie wecken, sie würden sich strecken, die Muskeln durchspielen, dann durch die Katzenklappe im Keller verschwinden und die Jagd beginnen.
    Ich holte mir einen Joghurt aus dem Eisschrank und mummelte lustlos vor mich hin.
    Wenn Detlev Fiedler der Mörder war, warum hatte er mir dann in entscheidenden Punkten weitergeholfen? Hatte er, unbewusst vielleicht, gewollt, dass wir ihn als Täter entlarvten? Wie lange schon war Natalie seine unerreichbare Göttin, sein Engel? Was und wie viel wusste seine Frau? Wirkte sie deshalb so neurotisch, weil sie etwas ahnte?
    Als Kischkewitz mit einem schweren BMW auf den Hof rollte, war es kurz vor zwei Uhr. Er sah ausgesprochen krank aus. Seine Gesichtshaut hatte einen Stich ins Graue, die Tränensäcke unter seinen Augen hatten beachtliche Ausmaße und eine dunkelbraune Färbung.
    »Erzählt mal, ich bin gespannt«, sagte er und ließ sich in einen Sessel fallen.
    »Du bist dran«, wandte sich Rodenstock an mich.
    Ich berichtete also und Kischkewitz verzog keine Miene. Am Ende sagte er: »Das ist auf jeden Fall der erste brauchbare Hinweis auf einen durchaus glaubhaften Täter. Wir müssen seinen Tagesablauf am Tag der Tat und an dem Tag danach rekonstruieren. Wir müssen seine gesamte Geschichte, seine Lebensgeschichte protokollieren. Wir müssen herausfinden, wie lange die Geschichte mit Natalie lief, und wir müssen herausfinden, was der Stein des Anstoßes für die Tat war. Weshalb hat er sie getötet? Emma, du siehst so aus, als könntest du einen Vorschlag haben.«
    »Habe ich auch.« Sie zündete sich einen Zigarillo an. »Wir müssen business as usual spielen. Weiterhin mit Hochdruck bei den Kaufleuten recherchieren und weiterhin so tun, als seien wir ratlos. Gleichzeitig müssen wir in Fiedlers Umfeld nach Beweismöglichkeiten suchen. Ich schlage vor, dass die Mordkommission sich dumm stellt, dass diese kleine private Kommission sich noch dümmer stellt und dass wir nach Absprache mal hier und mal da ein paar Stiche ins Wespennest ablassen.« Sie sah Kischkewitz an. »Vielleicht solltest du erwägen, nur den inneren Kern der Kommission zu informieren. Wenn dreißig, vierzig Leute wissen, auf wen wir es abgesehen haben, kann es passieren, dass Fiedler gewarnt wird. Und er ist kein Dummer. Ich glaube nicht einmal, dass er flüchten würde, ich glaube vielmehr, dass er Zugeständnisse macht, aber vehement abstreiten wird, Natalie getötet zu haben. Und dann sitzen wir fest, restlos fest, auf ewig.«
    »Das sehe ich auch so«, nickte Rodenstock. »Wir müssen zunächst öffentlich einfache Dinge tun.«
    Geschlagene zwei Stunden gingen wir Punkt für Punkt durch und blieben doch immer auf dem gleichen Ergebnis sitzen: Wir waren eine Gruppe, die mit Nagelstiefeln auf rohen Eiern gehen musste, ohne ein einziges davon zu zerbrechen.
    Plötzlich sagte Vera in glucksender Heiterkeit: »Ach, guckt mal, Leute.«
    Kischkewitz saß in seinem Sessel und schlief tief und fest.
    Wir ließen ihn dort und verzogen uns. Möglicherweise würde er mit einem steifen Genick aufwachen, aber er hatte zumindest eine Mütze voll Schlaf nehmen können.
    Wir wachten am hohen Mittag auf, Kischkewitz hatte längst das Weite gesucht, Emma Königsberger Klopse gemacht. Das nannte sie »mein Erinnerungsessen« und es war wohl eine sehr schmerzhafte Erinnerung, über die sie bisher kein Wort verloren hatte. Nicht einmal Rodenstock wusste, an was sie dabei dachte.
    »Ich würde gern nach Mainz fahren und mir Sachen holen«, bemerkte Vera.
    »Nimm meinen Wagen«, bot ich an. »Kein Problem.«
    »Nimm mich bitte mit. Ich muss ohnehin etwas einkaufen. Und außerdem brauche ich eine Verschnaufpause.« Emma aß nichts, Emma trank pausenlos Kaffee und starrte Löcher in die Luft.
    Sie fuhren gleich nach dem Essen.
    »Was machen wir?« Rodenstock hockte vor einem Kognak.
    »Ich fahre nach Daun rein, mit Leuten schwätzen, mich harmlos stellen. Ich habe das Gefühl, dass Natalie in den fehlenden Stunden an ihrem letzten Tag dort gewesen sein könnte.«
    Nachdem ich mir ein Foto von Natalie aus einer der letzten Ausgaben des Trierischen Volksfreundes herausgeschnitten hatte, machte ich mich auf den Weg.
    Du wohnst im Einzugsbereich einer kleinen Stadt und bildest dir ein, alles über diese Stadt zu wissen. Wer was zu sagen hat, wer politisch eine Rolle spielt, wer die einflussreichsten Kaufleute sind, wer die Parkuhren aufstellt. Und dann
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