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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll
Autoren: Jacques Berndorf
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plötzlich. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich eine Havanna rauche?«
    »O nein, bitte sehr«, sagte Kischkewitz. »Selbstverständlich.«
    »Sie auch?«, fragte Fiedler Rodenstock.
    »Das wäre gut«, nickte der. »Das gefällt mir.«
    Ich stopfte mir eine Crown aus der 200er-Reihe von Winslow, Kischkewitz zog einen Stumpen von irgendwo hervor, Rodenstock bekam eine Havanna und einen Abschneider gereicht, den er dann an Fiedler zurückgab. Die Zigarren waren von der Marke Montecristo – endlich wusste ich, wie man das schreibt.
    Wir saßen im Nu im blauen Dunst und Kischkewitz' Stimme war richtig gemütlich, als er sagte: »Wenn es recht ist, werden wir Sie zunächst nicht unterbrechen. Selbstverständlich biete ich Ihnen an, Ihren Rechtsbeistand herbeizurufen. Wir möchten keinen ungebührlichen Druck ausüben.«
    Das war eine gefährliche Klippe und Fiedler wusste das, wie unschwer auf seinem Gesicht abzulesen war. »Nein, nein, das geht schon in Ordnung«, befand er. »Gutes Kraut, man darf sie nur nicht heißrauchen.« Er atmete ein paar Mal tief durch. »Vor etwa zwei Jahren fing alles an, also ein Jahr, bevor die Klasse Abitur machte. Das Gefühl kam nicht ruckartig, es kam eher so herbeigeschlichen. Zu Anfang war Natalie nur in meinen Träumen. Natürlich, ich kannte sie schon lange, seit Jahren. Sie war hübsch, eigentlich sogar schön. Ich begann, von ihr zu träumen. Die Träume waren erotischer Natur. Ich schlief mit Natalie, sie war in meinen Vorstellungen sehr hungrig und sehr offen. Nun ja, sie erfüllte jeden meiner Wünsche, ehe ich ihn aussprach. Ich wusste, dass sie was mit Sven Hardbeck hatte, dass sie mit ihm schlief. Jeder wusste das und sie selbst machte ja auch nie einen Hehl daraus. Aber das war eben eine Pennälerliebe und ich war mir sicher, dass das vorbeigehen würde. Endlich war es vorbei und eigentlich wusste auch das jeder. Zur gleichen Zeit hatte Natalie damit begonnen, sich selbst zugrunde zu richten. Eigentlich war das die Schuld der Mutter, die Natalie anhielt, sich wie eine Nutte zu verkaufen. Ich wurde schier verrückt, ich habe sie ein paar Mal gewarnt und ihr gesagt, sie würde sich auf dem direkten Ritt in die Hölle befinden. Aber sie lachte nur und sagte: ›Du willst doch nur, dass ich mit dir ins Bett steige !‹ Wenn wir allein waren, duzte sie mich.«
    »Ich möchte Sie trotzdem eben mal unterbrechen«, bat ich. »Wie schafften Sie das, Ihre Gefühle vor den anderen zu verbergen? Das ist doch vor Jugendlichen schlicht unmöglich.«
    »Anfangs hatte ich Schwierigkeiten damit«, gab er zu. »Aber dann entwickelte ich eine sichere Masche. Ich erlebte ja dauernd wieder, dass sich Leute in Natalie verknallten. Und diesen Leuten gegenüber wurde ich spöttisch und ironisch. Das gab mir den Anschein von Distanz, von einer Distanz, die ich niemals hatte. Wenn zum Beispiel die vier Musketiere sie verteidigten, nachdem Natalie irgendetwas Unmögliches gesagt hatte, bemerkte ich: ›Oh, die Herren Kavaliere!‹ Und wenn sich Leute wie mein junger Kollege Lampert ernsthaft verliebten, konnte ich ihnen gut mit Rat und Tat zur Seite stehen, weil Rat und Tat eigentlich mir selbst galten.« Fiedler schwieg einen Augenblick, sammelte sich.
    »Haben Sie je mit ihr geschlafen?«, fragte Kischkewitz.
    »Nein, das habe ich nicht, das ließ sie nicht zu. Sie war eine unglaubliche Spötterin.« Sein Mund mahlte, sein Gesicht verzog sich, er begann unvermittelt zu weinen. »Einmal auf einer Klassenfahrt glaubte ich, nun beginne der Himmel, die Seligkeit. Wir hatten ein Quartier außerhalb der Stadt. Und abends hatte die Klasse freien Ausgang. Natalie kam als Letzte zurück, es war schon wieder hell. Sie hatte ein Einzelzimmer und ich begegnete ihr auf dem Flur, als sie im Bademantel zum Bad ging. Sie sagte, sie müsste mir was erzählen, und zog mich in ihr Zimmer. Sie legte sich nackt auf ihr Bett, nahm meine Hand und legte sie sich auf den Bauch. Sie sagte, sie habe unbedingt einen Engländer ausprobieren wollen. Aber es sei richtig furchtbar gewesen, weil der Kerl total versagt habe. Während sie das alles erzählte, rieb sie ihren Bauch mit meiner Hand. Und dann, von einer Sekunde zu anderen, schob sie meine Hand weg, lachte und sagte: ›Du bist ein armer Irrer und du wirst immer ein armer Irrer bleiben. ‹ Nein, ich habe nie mit ihr geschlafen. Ich erlebte, wie sie immer weiter in den Abgrund rutschte. Einmal sagte sie mir: ›Wenn Männer mich kaufen, dann kriegen sie zwanzig
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