Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
musst du feststellen, dass du im Grunde gar nichts weißt. Du stößt auf Leute, die du bisher nicht wahrgenommen hast, von denen du nicht einmal wusstest, dass es sie gibt. Mich erwartete eine ganze Serie dieser Erfahrungen.
    Ich klapperte nacheinander alle Kneipen und Restaurants ab, trank Unmengen Cola und stellte fest, dass Natalie und Sven in jeder dieser Kneipen und Restaurants gewesen waren, dass die Leute hinter den Theken aber im Grunde nichts über die beiden wussten, schon gar nichts über ihren letzten Tag. Sie versicherten: »Eigentlich hatten wir mit denen gar nichts zu tun. Sie waren hier, aber nur selten. Ist ja ein tragischer Fall, ist das.«
    Sven und Natalie waren ihr Leben lang hier zur Schule gegangen, wo hatten sie ihr Eis gegessen, wo ihre Fritten gekauft? Hatten sie keine Stammkneipe gehabt?
    Einen ersten brauchbaren Hinweis bekam ich in der Marien-Apotheke, als ich mir Schmerztabletten kaufte, weil ich keine mehr im Hause hatte.
    Die freundliche Apothekerin erzählte: »Die? Diese beiden, die leider tot sind? In der italienischen Eisdiele da vorne sind die oft gewesen. Aber eigentlich ist das nicht so, dass die Pennäler hier häufig in den Kneipen rumhängen. Die sehen eher zu, dass sie mittags nach der Schule so schnell wie möglich nach Hause kommen.«
    »Hm«, murmelte ich. »Wenn jemand in Daun jemanden treffen will und beide möchten nicht, dass das Treffen öffentlich wird, wo verabreden sie sich?«
    »Auf einem Parkplatz im Wald«, sagte die Apothekerin lächelnd. »Nein, nein, ich weiß schon, was Sie meinen. Also, ich würde mich auf der Dauner Burg verabreden. Da gehen nämlich die Dauner nicht hin, die haben da Berührungsängste.«
    »Ach ja?«, sagte ich unschuldig und verließ den Arzneimittelladen wieder.
    Die Apothekerin hatte Recht: Die Dauner Burg war im engen Bezirk als ausgesprochen vornehm und teuer deklariert. Die Dauner fuhren lieber ein paar hundert Kilometer, wenn sie mal gut essen wollten, statt vor der Haustür zu tafeln.
    Also hinauf auf die Burg durch die enge Gasse an den uralten Mauern vorbei, die die Grafen von Daun einstmals hochgezogen hatten, um im Laufe der Jahrhunderte in Bedeutungslosigkeit zu versinken.
    An der Tür begrüßte mich eine dicke, schwarze Katze und gab nicht eher Ruhe, bis ich sie gestreichelt hatte. Dann krähten zwei Aras in ihrem Käfig ein Begrüßungslied. Sonst war die Empfangshalle leer. Ich hockte mich an den kleinen Tisch gleich gegenüber dem uralten Tresen aus kostbarem Holz und wartete. Ich stopfte mir eine Pfeife und lächelte einer Putzmamsell zu, die schwitzend einen Wagen an mir vorbeischob. Endlich kam ein junger Mann beschwingt herangesegelt, grüßte freundlich und fragte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich wäre glücklich, wenn Sie mir einen Kaffee besorgen könnten und vielleicht eine Davidoff«, antwortete ich.
    »Aber sicher doch«, sagte er und verschwand wieder.
    Als er zurückkehrte, trug er ein Tablett vor sich her mit meinem Kaffee und den Humidor mit den Zigarren. Ich wählte eine aus und der junge Mann hielt mir ein Streichholz dran.
    Als die Dame des Hauses erschien, fühlte ich mich sauwohl und hatte entschieden, dass derartige Recherchen wirklich Spaß machten.
    »Was kann ich für Sie tun, Herr Baumeister?« Sie setzte sich.
    »Das muss ich erst noch herausfinden.«
    Sie antwortete mit ihrem trockenen moselanischen Humor: »Das ist Ihr gutes Recht.«
    »Sie kennen diese junge Frau?«, fragte ich und legte ihr den Zeitungsausschnitt vor.
    »Ja sicher. Wer kennt die nicht?«
    »Ich versuche den Tag vor ihrem Tod zu rekonstruieren. War sie hier?«
    »Ja, sie war hier. Sie war hier und saß hier, wo wir jetzt sitzen. Und sie trank einen Kaffee und rauchte Zigaretten. Das Einzige, woran ich mich nicht mit Sicherheit erinnere, ist, um wie viel Uhr das war. Wir haben nämlich überlegt, ob wir das nicht der Mordkommission melden sollen. Das muss vor zwölf Uhr gewesen sein, auf jeden Fall vor dem Mittagessen.«
    »Was tat Natalie hier? Ich meine, saß sie nur rum? Oder las sie in der Zeitung. Oder traf sie jemanden?«
    »Sie traf jemanden. Das ist ja wohl kein Geheimnis. Diesen Studienrat, oder Oberstudienrat, diesen Fiedler, der dauernd als Sachverständiger auftritt.«
    »Wie lange waren die beiden hier?«
    »Ich schätze mal, eine halbe bis Dreiviertelstunde. Die haben fröhlich miteinander geplaudert.«
    »Haben Sie etwas von dem Gespräch mitbekommen?«
    »Na ja, ich habe mitgekriegt, dass er ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher