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Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg
Autoren: Jacques Berndorf
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Mensch zu sein. Ich meine, wann ist jemals eine Staatsanwältin, die zudem Mutter von zwei Kindern ist, durch den Wald geschleppt worden? Nein, ich will kein Interview mit dir, ich halte mich da vollkommen raus. Du bist jetzt eine berühmte Person, und vor einem Treffen werde ich dich fragen müssen, ob du es überhaupt einrichten kannst.
    Wir stiegen aus und gingen in das Krankenhaus. Es waren schon Fernsehteams da, die uns erwarteten.
    Kischkewitz flüsterte: »Ich brauche nur ein paar Minuten.«
    Ich nickte und hatte das Gefühl, auf einem verdammt schnell kreisenden Karussell zu sitzen. Ich blieb wortlos, stapfte hinter ihm her, und zuweilen hatte ich ein paar Schritte lang das Gefühl: Gleich kippe ich um, und sie können mich in eine Ecke fegen.
    Vor dem Zimmer saßen zwei uniformierte Polizisten und erhoben sich von den Stühlen. Der junge Arzt, der uns begleitete, sagte freundlich: »Nicht lange, meine Herren! Sie braucht Ruhe.« Kischkewitz ging hinein, blieb eine Ewigkeit bei ihr, kam dann heraus, grinste breit wie ein zufriedener Clown und flüsterte: »Kein bisschen beschädigt diese Frau, kein bisschen.«
    Nun ging ich hinein, schloss die Tür hinter mir und sah sie an.
    Sie sah ramponiert aus. Sie trug eines dieser OP-Hemdchen, die den Eindruck machen, als hätte der Stoff nicht gereicht. Sie hatte beide Arme für eine Infusion hergeben müssen und machte so den Eindruck einer Gekreuzigten. Die Haut um ihren Mund war sehr rot und rissig. Natürlich, das Tape.
    Ich sagte: »Hallo!«, war mir aber nicht sicher, ob sie das hören konnte.
    In ihren Augen war ein Funkeln, kein Zweifel.
    Das Blond ihrer Haare schien mir etwas strähnig und verschwitzt. Alles in allem war sie gut erhalten, sehr sehenswert. Ich atmete ein paar Mal tief durch. Dann sagte ich noch einmal: »Hallo.«
    Sie schien es gehört zu haben, sie nickte.
    Ich wollte zu ihr kommen, aber sie hob den rechten Arm und streckte den Zeigefinger aus. Sie krächzte: »Wer hat diesen Satz gesagt:
In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte
. Wer war das?«
    Ein Quiz am Ende der langen Nacht? »Weiß ich nicht.«
    »Franz Kafka«, sagte sie mit einem Lächeln. »Und jetzt komm her zu mir und gib dir viel Mühe.«

22. Kapitel
    Tessa hatte beim BKA angefragt, ob mir die Erlaubnis erteilt werde, die Befragungen der Täter mitzuverfolgen. Nicht offiziell, nur durch den Einwegspiegel. Ja, ich würde mich verpflichten, niemanden zu zitieren, weder Kriminalbeamte noch Staatsanwälte noch Zeugen noch Sachverständige oder Angeklagte. Ich würde keine Erkenntnis verwerten, ich würde nur stillsitzen und zuschauen. Ich hatte drei Erklärungen zu unterschreiben und bekam den Eindruck, als wäre es mir für die kommenden Stunden nur beschränkt möglich, Luft zu holen oder mich gar laut zu räuspern. Hamburg konnte zur Abwechslung mal auf seine Story verzichten. Oder ich würde später eine Geschichte nur über den Eulenhof und seine parasitäre Gegenwart inmitten der Eifel machen. Eine Geschichte über den Eifel-Krieg, von dem sie träumten, in dem mit primitiver Gewalt für Sauberkeit in unserem Landstrich gesorgt werden sollte.
    Der Raum, in dem das Theater des Wirklichen stattfand, war trostlos. Es war ein fast quadratischer, fensterloser Raum, erhellt nur von vier Neonröhren an der Decke – ein elendes, graublaues, kaltes Licht.
    Tessa und Kischkewitz verhörten Ulrich Hahn, den man nach drei Tagen auf der Flucht südlich von Jena in einem winzigen Dorf festnahm, als er an einem Kiosk eine Currywurst mit Fritten bestellte. Die Fahndung war erfolgreich gewesen, der entscheidende Hinweis war vom Club
Aurora
in Dresden gekommen. Von einer sehr tiefen Stimme.
    »Herr Hahn«, sagte Tessa sehr reserviert. »Sie haben uns gesagt, dass Ihrer Meinung nach Veit Glaubrecht Paul Henrici im Ahbachtal erschossen hat. Wie kommen Sie zu dieser Auffassung?«
    »Weil Glaubrecht immer schon für die dreckigen Aufgaben auf dem Eulenhof zuständig war. Er tat alles, was Weidemann von ihm verlangte, er ist im Grunde ein Dreckschwein.«
    »Aber Sie haben Herrn Glaubrecht doch auch mit irgendwelchen Befehlen dauernd irgendwohin geschickt, Herr Hahn«, sagte Kischkewitz bedrohlich leise. »Sie haben ihm doch befohlen, er solle die Jugendlichen zu brauchbaren Kriegern erziehen. Ist das nicht auch eine dreckige Aufgabe gewesen? Brauchbare Krieger aus Menschen zu machen, die eigentlich noch Kinder sind?«
    »Ich war nicht persönlich damit
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