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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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im selben Moment die Staatsstraße
202 überquerte. Im gleißenden Licht, gegen das er sich mit erhobener Hand abschirmte,
konnte ihn Aharoni jetzt ganz deutlich sehen. Mittelgroß, Mitte 50, leicht vornübergebeugter
Gang. Hornbrille, hager, dünnes Haar, sehr hohe Stirn. Kein Zweifel. Es war sein
Mann.
    Noch 30
Meter. Dann war Zvika [5] an der Reihe.
    Verdammt.
Aharoni wurde aschfahl. Die linke Hand des Mannes steckte in der Manteltasche. Bloßer
Zufall oder Angewohnheit?
    Oder ein
Indiz, dass er eine Waffe bei sich trug?
    Einerlei.
Er musste Zvika warnen. »Pass auf, die linke Hand!«, raunte er ihm zu und umklammerte
das Steuer, während ihm der Schweiß aus den Poren quoll. »Vielleicht hat er eine
Waffe!«
    Das polnische
Muskelpaket, von Haus aus Sprengstoffexperte und Ex-Mitglied der Haganah [6] , gab keine Antwort.
Dafür war es jetzt zu spät. Der Mittfünfziger, auf den er es abgesehen hatte, war
nur noch wenige Meter von der am Straßenrand geparkten Limousine entfernt. Alles
war gesagt, immer und immer wieder durchgesprochen, mit einem Höchstmaß an Akribie
geplant worden. Jetzt, um fünf nach acht argentinischer Zeit, würden die Dinge ihren
Lauf nehmen. Und der Gerechtigkeit, so es sie gab, zum Sieg verhelfen.
    Aharoni
hielt den Atem an. Dann startete er den Motor. Kurz darauf tauchte linker Hand ein
Schatten auf. Und dann, als er die Fahrertür bereits passiert hatte, richtete sich
Zvika auf, wandte sich nach rechts und trat dem Mann in den Weg. »Momentito, Señor!«,
herrschte er ihn mit unverkennbar fremdländischem Zungenschlag an.
    Der Mann
blieb wie angewurzelt stehen.
    Im gleichen
Moment sprang Malchin auf ihn zu.
     
    *
     
    Er hatte es kommen sehen. All die
Jahre, in denen er auf der Flucht gewesen war, hatte er es kommen sehen. Auf die
Idee, dass es ihn ausgerechnet hier treffen würde, war er dennoch nie gekommen.
Ausgerechnet hier, nur einen Katzensprung von seiner Haustür entfernt. Und ausgerechnet
heute, nachdem seine Frau wieder einmal Kassandra [7] gespielt und ihn beschworen hatte, nicht zur Arbeit
zu gehen.
    Er hatte
ihre Warnungen in den Wind geschlagen. Disziplin ging ihm nun einmal über alles.
Ohne sie, die Kardinaltugend schlechthin, konnte man es im Leben zu nichts bringen.
Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Ordnungsliebe und Gehorsam natürlich nicht zu vergessen.
Tugenden, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen und die hier, fern der Heimat,
bedeutsamer denn je geworden waren.
    ›Meine Ehre
heißt Treue.‹ [8] Damit war
alles gesagt. Auf ihn, den ehemaligen SS-Obersturmbannführer, war stets Verlass
gewesen. Gerade dann, wenn es ans Eingemachte ging. ›Rasche Auffassungsgabe und
Gewissenhaftigkeit haben seine Arbeit ausgezeichnet.‹ [9] Besser hätte man es nicht ausdrücken können. Ohne ihn,
den Mann der Tat, wären sie damals glatt aufgeschmissen gewesen. Ob in Österreich,
der Tschechei, Ungarn oder Berlin: Er hatte Tabula rasa gemacht, binnen eines halben
Jahres 50.000 Wiener Juden in die Emigration getrieben, die Prager das Fürchten
gelehrt, den Ungarn die Drecksarbeit abgenommen, indem er 200.000 Volksschädlinge
deportieren ließ. Überhaupt – die Deportationen! Ohne seinen rastlosen Einsatz,
seine Zähigkeit, die Unerbittlichkeit, mit der er den Willen des Führers in die
Tat umgesetzt hatte, wäre die Endlösung ein glatter Reinfall geworden. Daran hegte
er keinen Zweifel. Schade nur, dass aus den geplanten elf Millionen nichts geworden
und lediglich sechs Millionen liquidiert worden waren.
    Schwamm
drüber, seine Schuld war es nicht gewesen. Er hatte sein Möglichstes getan, mit
der Reichsbahn um jeden gottverdammten Güterwaggon gefeilscht. Er hatte gedroht,
geschuftet, geackert. Rund um die Uhr. Und er hatte sich, im Gegensatz zu manch
anderem Parteigenossen, an Ort und Stelle von der Effektivität seiner Maßnahmen
überzeugt. Hatte den Schneid besessen, die Vernichtungslager zu inspizieren. Dass
er Haltung bewahrt hatte, verstand sich von selbst, es sei denn, die Transporte
kamen ins Stocken. Dann war er aus der Haut gefahren, hatte die Verantwortlichen
zusammengestaucht, dass ihnen Hören und Sehen verging. Hasste er doch nichts mehr
als Schlamperei, Unpünktlichkeit und mangelnde Zuverlässigkeit.
    Aus diesem,
und nur aus diesem Grund hatte er nicht auf seine Frau gehört. Getreu der Maxime,
dass Pflichterfüllung an erster Stelle kam. Wie immer war er morgens aus dem Haus
gegangen, in den Bus gestiegen und ins Daimler-Benz-Werk nach Gonzalez Catan
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