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Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)

Titel: Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Uwe Klausner
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kutschiert,
wo er seit geraumer Zeit als Schweißer arbeitete. Nicht der erste Job hier drüben,
sondern einer von vielen. Hydrologe [10] ,
Inhaber einer Wäscherei und eines Textilgeschäftes, Transportchef und zu guter Letzt
Verwalter einer Kaninchenfarm. Soweit die Stationen der letzten Jahre. Richtig Fuß
fassen können hatte er nirgendwo, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als die
zweistündige Fahrt zur Arbeit auf sich zu nehmen. Genug Zeit, um über alles nachzudenken,
um das, was ihm von Himmler eingebrockt worden war, Revue passieren zu lassen.
    Anlass zur
Reue? Weit gefehlt. Schließlich war Krieg gewesen und er hatte Befehle auszuführen
gehabt. Daran gab es nichts zu rütteln. Überdies war er nur Obersturmbannführer
gewesen, einer von 1.159 gleichrangigen Kameraden, um es präzise auszudrücken. Nun
gut, in seiner Eigenschaft als Judenkommissar hatte er viel Macht gehabt, weit mehr
als die Parteibonzen ahnten. Debattiert, Entscheidungen getroffen und sie an Subalterne
wie ihn weitergegeben hatten jedoch andere. Er war lediglich Teil eines Räderwerkes
gewesen, nur ein Glied in der Befehlskette, deren Aufgabe es war, den Willen des
Führers in die Tat umzusetzen. Das allein hatte gezählt, sonst nichts.
    »Momentito,
Señor!« Ganz so einfach, wie es sich dieser Kleiderschrank gedacht hatte, würde
er es seinen Häschern nicht machen. Dafür steckte noch zu viel Ehrgefühl in ihm.
Er, Adolf Eichmann, SS-Obersturmbannführer, Organisator der Endlösung und Schreibtischtäter
par excellence, stieß einen halblauten Schrei aus, riss die Arme in die Höhe und
versuchte, den Angreifer abzuschütteln. Vergebens. Der Hüne ließ ihn nicht entkommen,
stürzte sich auf ihn und riss ihn zu Boden. In seiner Not wollte er um Hilfe rufen,
doch ehe es dazu kam, landete er im Straßengraben, unfähig, sich dem Griff des Unbekannten
zu entziehen.
    Er hatte
ausgespielt, für immer. Spätestens dann, als sich ein weiterer Angreifer auf ihn
stürzte und ihn unter Mitwirkung des Kraftprotzes auf den Rücksitz des schwarz lackierten
Buick bugsierte, musste Adolf Eichmann alias Ricardo Klement erkennen, dass er in
eine Falle getappt war. Eine Falle, aus der er sich nie mehr würde befreien können.
    Weder heute,
noch morgen, noch während der zwei Jahre und drei Wochen, die er noch zu leben hatte.

2
     
    Buenos Aires / Argentinien,
Haus im Stadtteil Kilmes [Codename ›Tira‹ (Palast)] │ 21:15 h
     
    Erste Befragung von Adolf Eichmann
durch Zvi Aharoni:
     
    »Wie heißen
Sie?«
    »Ricardo
Klement.«
    »Wie hießen
Sie davor?«
    »Otto Heninger.«
    »Wie groß
sind Sie?«
    »1,77 Meter.«
    »Welche
Schuhgröße haben Sie?«
    »42.«
    »Welche
Kleidungsgröße?«
    »44.«
    »Wie lautete
Ihre Mitgliedsnummer in der NSDAP?«
    »899.895.«
    »Wie lautete
Ihre Nummer in der SS?«
    »43.326.«
    »Geburtsdatum?«
    »19. März
1906.«
    »Geburtsort?«
    »Solingen.«
    »Wie war
Ihr Name bei der Geburt?«
    Stille.
Darauf die Worte:
    »Adolf Eichmann.«

Dichtung und Wahrheit
     
    »Ich habe der Knesset [11] mitzuteilen, dass
vor einiger Zeit israelische Sicherheitskräfte einen der größten Naziverbrecher
aufgespürt haben: Adolf Eichmann, der zusammen mit anderen Nazigrößen verantwortlich
ist für das, was diese die Endlösung des Judenproblems genannt haben, das heißt,
die Vernichtung von sechs Millionen Juden. Adolf Eichmann ist bereits in Haft und
wird in Kürze nach dem Gesetz aus dem Jahr 1950 zur Verfolgung von NS-Verbrechern
vor Gericht gestellt werden.«
     
    (Erklärung des israelischen Ministerpräsidenten
David Ben-Gurion vor der Knesset, abgegeben am 23.5.1960)
     
    ›Die traurige Wahrheit ist, dass
Eichmann von einem blinden Mann entdeckt wurde, und dass der Mossad mehr als zwei
Jahre benötigte, seine Geschichte überhaupt ernst zu nehmen und selbst initiativ
zu werden.‹
     
    (Aus: Zvi Aharoni / Wilhelm
Dietl, Der Jäger. Operation Eichmann: Was wirklich geschah , Stuttgart 1996,
S. 126 f.)

Zwei Jahre später
     
     
     
     
    ›Israel musste förmlich dazu gedrängt
werden, Eichmann zu fangen.‹
     
    (Aus: Uki Goñi, Odessa. Die wahre
Geschichte , Berlin / Hamburg 2006, S. 294)

Erstes Kapitel
     
    (Berlin,
Donnerstag, 31. Mai 1962)
     
     

     
     

3
     
    Berlin-Charlottenburg, Schlosspark │ 12:02 h
     
    Der Tag, an dem Morells Rendezvous
mit dem Tod stattfand, begann mit einem vertrauten Ritual. Der 52-jährige Boulevardreporter,
müde, verkatert und nicht gerade erpicht auf Arbeit, suchte Halt
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