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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)
Autoren: Hannah Arendt
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Gesamtdarstellungen in Büchern und Zeitschriften. Aber gerade diese Lücke zu schließen hätte eine unverhältnismäßig große Arbeit erfordert. Daher habe ich mich damit begnügt, die wesentlicheren Bücher und Zeitschriftenartikel, die nach Erscheinen meines Buches herauskamen, einzufügen, jedenfalls soweit sie mir zugänglich waren. Dabei habe ich mit einiger Genugtuung festgestellt, daß in Deutschland zwei Darstellungen des Falles Eichmann erschienen sind, die sich von den üblichen schematischen Gesamtdarstellungen wohltuend unterscheiden und zu oft verblüffend gleichen Resultaten kommen wie ich. Dies gilt für Robert Pendorfs »Mörder und Ermordete. Eichmann und die Judenpolitik des Dritten Reiches«, der vor allem auch die Rolle der Judenräte in der »Endlösung« berücksichtigt, und für den holländischen Berichterstatter Harry Mulisch, dessen »Strafsache 40/61« nahezu der einzige Bericht ist, der sich über die Person des Angeklagten Gedanken macht und dessen Eindruck sich in wesentlichen Zügen mit meinem Eindruck deckt.
    Von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, habe ich für den historischen Hintergrund der in Jerusalem verhandelten Tatbestände selbstverständlich keine Quellen und kein Dokumentenmaterial mehr benutzt; auch bei den von mir zitierten Dokumenten handelt es sich in nahezu allen Fällen um solche, die im Prozeß als Beweisstücke vorgelegt wurden. Ich habe durchgängig »Die Endlösung« von Reitlinger herangezogen, vor allem aber mich auf das Werk von Raul Hilberg, »The Destruction of the European Jews«, die ausführlichste und auch fundierteste quellenmäßige Darstellung der Judenpolitik des Dritten Reichs, verlassen. Für diese revidierte Fassung habe ich außerdem die erst kürzlich erschienenen ganz ausgezeichneten Personenstudien in J. C. Fest »Das Gesicht des Dritten Reiches« mit großem Gewinn gelesen, da sie urteilsmäßig auf einem selten hohen Niveau stehen. Die Darstellungsprobleme eines Berichts wie des vorliegenden lassen sich am besten mit denen einer geschichtlichen Monographie vergleichen. Nichts dergleichen könnte je zustande kommen, wenn der Historiker bzw der Berichterstatter sich nicht auf die Arbeiten anderer stützen würde für all das, was außerhalb seines Spezialthemas steht.
    Gegen dieses Buch ist noch vor seinem Erscheinen eine organisierte Kampagne in die Wege geleitet worden, die mit identischer Phraseologie von Amerika nach England getragen wurde, um schließlich auf den europäischen Kontinent überzugreifen, lange bevor das Buch dort auch nur zugänglich war. Diese Angriffe beschäftigten sich im wesentlichen damit, ein Propaganda-Phantom, ein sogenanntes »image« zu kreieren, und das Resultat war, daß sich ein Streit um ein Buch erhob, das niemals geschrieben worden ist, wie es in einer Version ja auch in einem »Witzblatt« zuerst publiziert worden sein soll, das es in Amerika nicht gibt. (Das angebliche Witzblatt, »The New Yorker«, ist eine in Amerika sehr angesehene Zeitschrift, deren Spezialität die ausführliche und ungewöhnlich gründliche, kritische Berichterstattung über Dinge ist, die im allgemeinen öffentlichen Interesse liegen. Hier konnte man vor Jahren die ersten ausführlichen Berichte über den Aufstand im Warschauer Getto oder den Bombenabwurf auf Hiroshima lesen; in jüngerer Zeit hat das Blatt zuerst von der neu entdeckten Armut im Lande, von der bedrohlichen Stimmung unter den Negern und ähnlich aktuellen Dingen berichtet.) Denkwürdig bleibt, daß eine solche bewußte Meinungsmanipulation Resultate zeitigen kann, die sie selbst weder vorausgesehen hat noch zu kontrollieren imstande ist. Wenn also auch der Streit, was das Buch selbst betrifft, weitgehend gegenstandslos ist, so hat das doch nicht gehindert, daß in ihm vieles zur Sprache gekommen ist, was das Denken heutiger Menschen beschäftigt und ihr Gemüt beschwert, wobei sich gezeigt hat, daß die »unbewältigte Vergangenheit« nicht nur ein deutsches und nicht nur ein jüdisches Phänomen ist, sondern daß gerade dieser Teil der Vergangenheit auch heute noch in weitesten Kreisen unvergessen und unbewältigt ist.
    Der Streit dreht sich z. B. um das Verhalten des jüdischen Volkes in der Katastrophe der »Endlösung«. Die Frage, ob die Juden sich hätten wehren können oder müssen, die zuerst von dem israelischen Staatsanwalt erhoben und von mir als töricht und grausam bezeichnet wurde, da sie von einer fatalen Unkenntnis der Verhältnisse zeugte, ist bis
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