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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)
Autoren: Hannah Arendt
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Soweit eine deutsche Tatbeteiligung angenommen wurde, sah man das Motiv im bündnispolitischen Bereich (Weigerung Bulgariens, sich am Krieg gegen die UdSSR zu beteiligen. Zweifel an der Loyalität). Helmut Heiber (VfZ, 9. Jg. 1961, S. 384 – 416) schloß zwar nicht die Möglichkeit der Ermordung, wohl aber deutsche Täterschaft aus. Neuere Untersuchungen kommen dagegen zu dem Ergebnis, daß Zar Boris eines natürlichen Todes gestorben sei (vgl. Hans-Joachim Hoppe, Bulgarien – Hitlers eigenwilliger Verbündeter. Stuttgart 1978, S. 146 f.).
    12 Die Tatmotive des Herschel Grynszpan werden sich wohl eindeutig nicht mehr klären lassen. Doch hat Helmut Heiber in seiner gründlichen Studie (Der Fall Grünspan, in: VfZ Jg. 5, 1957, S. 134 – 172), deren Ergebnisse in der Folgezeit weder ernsthaft angegriffen noch widerlegt wurden, dargetan, daß die von H. G. zunächst vorgetragene Rache-Version die wahrscheinlichste sei; daß die Behauptung, homosexuelle Beziehungen zwischen Rath – Grynszpan hätten bereits im Pariser Prozeß eine Rolle gespielt, äußerst unglaubwürdig ist: daß Grynszpan letztere Version mit hoher Wahrscheinlichkeit erst ins Spiel brachte, um den deutscherseits beabsichtigten Prozeß zu entpolitisieren. In einem großangelegten Hochverrats-Schau prozeß, der 1942 in letzter Minute abgeblasen wurde, sollte die Kardinalschuld des »Weltjudentums« (als dessen Werkzeug G. gehandelt habe) am Ausbruch des Krieges angeprangert werden. Wenngleich der endliche Verzicht auf die Durchführung des Prozesses verschiedene Ursachen hatte, wirkte Grynszpans Behauptung homosexueller Hintergründe doch als Stein im Prozeßgetriebe, wie aus Tagebuchaufzeichnungen von Goebbels hervorgeht: ein (möglicherweise) homosexueller von Rath als posthumer Prozeß-Held war im nationalsozialistischen Deutschland nicht vorstellbar.
    Herschel Grynszpan hat den Nationalsozialismus tatsächlich überlebt; 1957 lebte er unter anderem Namen in Paris.
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