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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)
Autoren: Hannah Arendt
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nicht hinreiche. Dieses Ermittlungsverfahren beleuchtet die Schwierigkeiten, die einer Tataufklärung durch eine einzelne Staatsanwaltschaft zum damaligen Zeitpunkt entgegenstanden.
    Von dem Bach-Zelewski blieb – von einer zeitweiligen Haftverschonung 1971 abgesehen – bis Februar 1972 in Haft; er starb im März 1972.
    7 Das im vorstehenden Abschnitt angesprochene Problem der »Nazi-Juristen« (Richter und Staatsanwälte), die nach 1933 im Sinne des NS angeklagt und geurteilt haben) im Justizdienst der Bundesrepublik ist im hohen Maße im dunkeln geblieben (vgl. Conrad Tal er, Ungesühnte Blutjustiz, in: Frankfurter Hefte 1982, H. 5, S. 31 ff.).
    Die Justiz ist in den wenigen Fällen, in denen es zu Verfahren kam, mit ihren »Schwarzen Schafen« äußerst milde umgegangen (vgl. Jörg Friedrich. Freispruch für die Nazi-Justiz. Eine Dokumentation. Hamburg 1983). Die Justizbehörden haben das Problem nach Kräften verkleinert, indem sie insbesondere nur auf die Mitwirkung an jedes gerechte Maß der Sühne über schreitenden Todesurteilen abstellten; es seien nur etwa ein Prozent der (1961) an ordentlichen Gerichten tätigen Richter und Staatsanwälte (9200) betroffen.
    Im Juni 1961 verabschiedete der Deutsche Bundestag das »Deutsche Richtergesetz«, dessen Paragraph 116 bestimmte, daß nur, wer zwischen dem 1. 9. 1939 und 9. 5. 1945 als Richter oder Staatsanwalt in der Strafrechtspflege mitgewirkt habe, auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt werden könne. Eine vom Bundestag gleichzeitig angenommene Entschließung machte den Zweck des Paragraphen deutlich, jene angenommene kleine Anzahl von Richtern und Staatsanwälten, die in Verdacht standen, »daß sie an Todesurteilen beteiligt waren, die nicht verantwortet werden können und jede weitere Tätigkeit … in einem freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat ausschließen«, mit leisem Druck zum möglichst geräuschlosen Ausscheiden aus dem Justizdienst zu bewegen, um zu vermeiden, daß eine Grundgesetzänderung (Unabsetzbarkeit der Richter) vorgenommen werden mußte. Der Bundestag drohte allerdings an, »wenn es notwendig ist, eine grundgesetzliche Entscheidung« zu treffen. 149 Richter und Staats anwälte haben von dieser Möglichkeit bis zum September 1962 Gebrauch gemacht.
    Im Februar 1963 diskutierte der Bundestag nochmals über dieses Thema. da zwei Richter und vier Staatsanwälte den von ihnen erwarteten Antrag nicht gestellt hatten. Der Rechtsausschuß wurde, da man dazu mit dem Bekanntwerden weiterer Fälle rechnete, aufgefordert, Wege zur Problemlösung zu suchen. Die Sache ist im Bundestag nicht mehr diskutiert worden; inzwischen dürfte eine »biologische Lösung« erfolgt sein. Rudolf Wassermann (Wo Buße not tut, S. 9 ff.) nennt für diese Art der »biologischen Lösung« einige Zahlen; danach waren 1981 nur noch rund zwei Prozent der Richter in der Bundesrepublik vor 1918 geboren (rund 300), über 70 Prozent nach 1934. Am Beispiel der Ermittlungen gegen Juristen des Volks gerichtshofes verweist Wassermann auf eine möglicherweise andere Art der »biologischen Lösung«, nämlich die Ermittlungen bis zum Tod der Verdächtigen zu verschleppen. In diesem Zusammenhang beleuchtet Wassermann auch den Anteil des BGH an der Erschwerung von Richterverurteilungen (Freispruch des Beisitzers am VGH Rehse): einem Richter müsse der unbedingte Vorsatz zur Rechtsbeugung nachgewiesen werden, was praktisch unmöglich ist.
    Der von H. A. in Zusammenhang mit der belasteten Justiz genannte Wolfgang Immerwahr Fränkel war von 1936 bis 1943 sogenannter »Juristischer Hilfsarbeiter« bei der Staatsanwaltschaft Leipzig. Hier war er auch mit der 1940 eingeführten sogenannten Nichtigkeitsbeschwerde befaßt, die auf Kassierung auch rechtskräftiger Urteile in Strafverfahren durch das Reichsgericht mit dem Ziel der Erhöhung oder Verminderung der Strafe gerichtet war.
    1951 wurde Fränkel Bundesanwalt. Als er 1962 zum Generalbundesanwalt ernannt werden sollte, wurde er seitens des Justizministers – in Zusammenhang mit Paragraph 116 des Richtergesetzes – über eine eventuelle Mitwirkung an Todesurteilen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde befragt. Fränkel verneinte eine solche Mitwirkung. Als kurz nach seiner Ernennung belastende Unterlagen bekannt wurden, wurde Fränkel im Juli 1962 beurlaubt, kurze Zeit später in den einstweiligen Ruhestand versetzt und ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Ihm wurde vorgeworfen, ein fahrlässiges Dienstvergehen dadurch
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