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Echtzeit

Echtzeit

Titel: Echtzeit
Autoren: Sarah Reitz
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dunklen, strähnigen Haare einigermaßen zu trocknen und menschlich aussehen zu lassen, band sie sie schließlich zusammen. Dabei schweifte ihr Blick über den Zeltplatz und blieb an drei Personen, die ebenfalls gerade dabei waren ihre Haare zu bändigen, hängen. Und was für Haare zwei der Drei hatten! Nina wurde total neidisch, denn sie selbst war jetzt schon von ihrer Frisur genervt, obwohl sie ihr gerade mal über die Schulter reichte, aber beim Singen, Spielen und abrocken waren lange Haare einfach störend. Bis heute war sie nicht hinter das Geheimnis gestiegen, wie James Hetfield, ihr großes Vorbild und Schwarm, das machte. Und einer dieser Typen machte James in Sachen Frisur ernsthafte Konkurrenz. Männer mit langen Haaren gefielen ihr, warum, konnte sie selbst nicht genau sagen. Noch eine ganze Weile beobachtete sie ihn, wie er die Haare zurück schwang, sich ein neues, trockenes Shirt überzog, mit seinen Kumpel scherzte … Plötzlich lachte er laut – ein tiefer, grollender Ton drang zu ihr durch und bereitete ihr eine ziemlich krasse Gänsehaut. ‚Wow!‘, dachte sie und brannte darauf, zu erfahren, ob seine Stimme ebenso tief und brummend klang wie sein herzhaftes Lachen.
    »Ey, Nina!« Jemand hielt ihr ihre Gitarre hin. »Der Stromanschluss ist hinüber, das heißt du wirst uns ein bisschen was spielen müssen.« Die Anderen waren schon dabei, Kerzen aufzustellen und jemand wühlte in der Metallbox hinter ihr nach den großen Taschenlampen.
    »Das heißt ja auch, wir müssen das Bier schneller trinken, bevor es warm wird«, grinste sie und griff nach ihrem Instrument. Sie zupfte die Saiten an und stimmte sie provisorisch nach Gehör. Das sollte für den Moment genügen, um ein bisschen herum zu klimpern. Lolli, einer ihrer besten Freunde, hockte sich auf eine leere Bierkiste neben sie und begann die ersten Riffe von Knockin' on heaven's door zu spielen. Sie verdrehte die Augen.
    »Gott, das gehört fast genauso verboten wie Stairway to heaven .« Sie schüttelte sich, begann dann aber ebenfalls, die Akkorde zu spielen und stieg direkt mit der ersten Strophe ein.
    Sie spielte eine sehr eigenwillige Version des Bob Dylan-Klassikers. Immer wieder unterbrach sie sich selbst durch Gegackere, während ihre Kumpel zärtlich schmusend miteinander tanzten. Gerade als sie in die zweite Strophe einstieg, sah sie aus dem Augenwinkel, wie jemand die interessanten, langhaarigen Typen herbeiwinkte. Begeistert davon, dass diese die Einladung offensichtlich annahmen, konzentrierte sie sich jetzt doch darauf, das Lied würdiger zu spielen und setzte zur Bridge an. Mit geschlossenen Augen bemühte sie sich, jeden Ton zu treffen, schließlich wollte sie sich nicht blamieren. Erst als der letzte Ton gesungen war und Lolli die Abschlussakkorde verklingen ließ, öffnete sie ihre Lider wieder und erntete anerkennenden Applaus von den neuen Gästen.
    »Ey, das war echt gut«, sagte der Interessanteste der Drei und setzte sich direkt auf den Plastikstuhl, der ihr gegenüber stand.
    »Danke«, murmelte sie und war überrascht von der leichten, aufsteigenden Röte in ihrem Gesicht. Gott, das passierte ihr doch sonst nie!
    »Spiel noch ein Lied, bitte.« Seine tiefe Stimme ging ihr durch und durch. Eine unübersehbare Gänsehaut überzog ihren ganzen Körper und für einige Momente war sie seltsamerweise sprachlos.
    »Ist dir kalt?« Er deutete auf ihre Unterarme.
    »Ähm, nein.« Schnell zog sie ihre Arme an ihren Körper und rieb fest über ihre Haut, damit dieses verrückte Prickeln endlich aufhörte.
    »Also, magst du noch was spielen? Ich würde dir gern zuhören.« Er fixierte sie mit einem Blick, der sie fast dazu brachte, zu spielen, was auch immer er wollte. Doch irgendetwas ließ sie stutzen – er kam ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht, warum.
    »Ich bin übrigens Tom«, stellte er sich jetzt vor und reichte ihr die Hand.
    »Nina.« Sie ergriff seine Hand und durchforstete ihr Gehirn nach einem Tom mit unfassbar dunklen Augen und wahnsinnig tiefer Stimme. »Ok, Tom.« Sie verwies ihre Verschämtheit in die hinterste Ecke und zeigte wieder die echte, selbstbewusste Nina. »Kannst du singen?«, fragte sie unverblümt.
    Er nickte. »Jap, das ist meine Band.« Er deutete auf seine Kumpel, die bereits von den anderen weiblichen Anwesenden in Beschlag genommen wurden.
    »Cool«, gab sie nur ungerührt von sich, »aber jetzt singst du mit mir.« Sie zwinkerte. Ziemlich schnell hatte sie ihre alte Form wieder gefunden
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