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Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)
Autoren: Kim Paffenroth
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den Rucksack über die Schulter und sah zu, dass ich dort wegkam.
    Es war nun fast ein Jahr her, dass es begonnen hatte und all die furchtbaren Dinge aus der Bibel nach und nach wahr geworden waren. Armageddon. Die Apokalypse. Das Ende aller Tage. Gottes rechtmäßiges Urteil über die sündhafte Menschheit – oder wie auch immer der selbstgerechte Idiot, der einmal pro Woche von der Kanzel schimpfte, es genannt hatte. Nun, er mochte vielleicht selbstgerecht und ein Idiot gewesen sein, und jetzt schlurfte er vermutlich wie die meisten anderen durch die Gegend und sabberte sich voll, weil sein halbes Gesicht zerfetzt war, aber es deutete doch einiges darauf hin, dass er ein paar Insiderinformationen gehabt hatte, die wir anderen auch ganz gern ein bisschen früher gekriegt hätten.
    Für die meisten Menschen hatte es, nehme ich wenigstens an, wie jeder ganz normale Tag angefangen. Zähne putzen. Die Ehefrau völlig gefühllos zum Abschied küssen. Zur Arbeit gehen. Irgendwo unterwegs irgendwas fürs Frühstück holen. Frühstücken, ohne es wirklich zu genießen. Und dann, plötzlich, geht irgendetwas in dieser segensreichen, gnadenvollen, tröstlichen Routine ganz entsetzlich schief, und irgendjemand – vielleicht dein Nachbar oder dein Kollege oder, noch schlimmer, deine Frau oder deine Kinder – schwankt mit leerem Blick auf dich zu und versucht, dir mit bloßen Zähnen die Kehle rauszureißen. Wenn er dich erwischt, musst du dir keine Sorgen mehr machen, denn dann bist du tot und stehst wieder auf und wankst wie er durch die Welt, hast keine Gedanken oder Gefühle mehr, sondern schlurfst nur umher und versuchst, Leute zu beißen. Wenn du ihm aber entkommst, wirst du zu einem der Überlebenden, zumindest für eine Weile, dann lebst du ständig in Sorge und das einzige Gefühl in dir ist Angst. So oder so – willkommen in der Hölle.
    Von theologischen Erklärungen einmal abgesehen, nahmen die meisten automatisch an, die Toten würden aufgrund einer Infektion wieder auferstehen und töten und diese Infektion würde sich über die Bisse ausbreiten. Die nächste logische Schlussfolgerung war – leider gab es ja keine zuverlässigen Beweise für Zombie-Seuchen vor Beginn des 21. Jahrhunderts (von Horrorfilmen einmal abgesehen) –, dass wir wohl an irgendwelchen Viren und der DNS herumgeforscht und uns diese ganze Scheiße selbst zuzuschreiben hatten.
    Aber auch in diesem Fall lag eine theologische Erklärung nahe. Dank unserer eigenen Arroganz und Ignoranz hatten wir eine Hölle auf Erden geschaffen, und nun mussten wir ernten, was wir gesät hatten – und das nicht zu knapp. Dreister als jedes Pärchen, das einen Apfel gegessen oder jeder Trottel, der beim Turmbau zu Babel Mörtel auf einen Ziegel geklatscht hatte, hatten wir mit den Vorrechten des Herrn gespielt, und entweder hatte er uns den verdammt noch mal gewaltigsten Denkzettel aller Zeiten verpasst, oder wir hatten einfach etwas in Gang gesetzt, das nur noch er kontrollieren konnte. Scheiße, man musste ja noch nicht mal an die Bibel glauben, um zu erkennen, wie viel Sinn all das ergab. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an diese verrückte Geschichte aus der griechischen Mythologie, die man in der fünften Klasse hört – die mit der Büchse der Pandora. Dieselbe verdammte Sache. Eine Büchse voller umherwandelnder Kannibalenleichen, die sich nicht mehr schließen lässt, wenn man sie einmal geöffnet hat.
    Nun, die Frage, wie genau diese Büchse geöffnet worden war, führte unter den Überlebenden zu heißen Diskussionen – sofern wir nicht gerade kämpften, um unser elendiges Dasein zu verlängern, und uns den Luxus einer Unterhaltung oder einer Diskussion erlauben konnten. Der totale Krieg oder ein terroristischer Anschlag waren wohl die am wenigsten unterstützten Theorien, obwohl auch sie eifrige Verfechter fanden. Ich weiß nicht, weshalb nicht noch mehr von uns an diese Hypothese glaubten. Das klingt jetzt vermutlich komisch, aber ich denke, es lag daran, dass dies die untröstlichste all unserer Spekulationen war. Es war zu schrecklich, sich vorzustellen, dass irgendjemand, und seien es Terroristen, diese höllische Untodes-Pest über die Welt bringen konnte, über ihre eigenen Leute und sogar über Frauen, Kinder und Alte. Gleichzeitig lieferte diese Theorie eine zu simple und oberflächliche Erklärung, so, als wären nur ein paar Irre an allem schuld, eine winzige Gruppe Unzufriedener – ein Schrecken dieses Ausmaßes
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