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Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)
Autoren: Kim Paffenroth
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mit Schokolade mehr da waren, musste ich lächeln: Einige Prioritäten änderten sich wohl bis zum letzten Atemzug der Menschheit nicht. Vorsichtig ging ich zum Regal hinüber, riss die Schachteln auf, schaufelte ein paar der abgepackten Cremetörtchen in meinen Rucksack und machte mich daran, an Ort und Stelle alles in mich hineinzustopfen, was ich nicht tragen konnte. Ich leckte gerade weiße Cremefüllung von meinen Fingern, als ich das krachende Geräusch eines Schuhs hörte, der auf zerbrochenes Glas trat.

Kapitel 2
    Der Zombie stand etwa vier Meter von mir entfernt am Ende des Twinkie-Gangs. Mit den typischen langsamen, steifen Bewegungen der Untoten wankte er auf mich zu. Er war mal ein Mädchen im Teenageralter gewesen, blond und hübsch, sofern ich das jetzt noch beurteilen konnte. Sie trug die Highschool-Lederjacke ihres Freundes, die ihr viel zu groß war. Ihr Mund bewegte sich lautlos, nur das Klackern ihrer blutigen, gelben Zähne war zu hören.
    Die Jacke war offen, die untere Hälfte ihres T-Shirts war zerrissen und blutgetränkt, und auch ihre Jeans hatte sich bis kurz unter den Knien mit Blut vollgesogen. In ihrem Unterleib klaffte eine riesige, etwa dreißig Zentimeter lange Wunde. Sie hatten ihr sämtliche Organe herausgerissen, als sie sie getötet hatten. Sie stöhnte nicht, wie Zombies das normalerweise taten, weil sie keine Lungen mehr hatte. Man konnte direkt auf ihre Rippen und ihre Wirbelsäule sehen. Anders als bei den Wunden lebendiger Menschen glänzte oder tropfte nirgendwo Blut; ihres war dunkel, vertrocknet und verkrustet, wie bei den Mumien, die ich in Museen gesehen hatte.
    Der Zombie kam näher, langsam, aber unerbittlich. Trotzdem konnte ich meinen Blick nicht von diesem schrecklichen, fleischgewordenen Sinnbild der Sterblichkeit abwenden. Man sah die unterschiedlichsten Wunden bei den lebenden Toten, aber manche lösten trotzdem noch einen Schock aus, eine Art ehrfurchtsvollen Schauer angesichts des Wunders des Lebens und des entsetzlichen Mysteriums des Todes. Teilweise staunte man auch nur über den perversen Willen, mit dem die Zombies, trotz ihrer schrecklichen Verstümmelungen und ihres Verfalls, am »Leben« festhielten: Wieso konnten sie sich nicht einfach hinlegen und sterben? Ruht euch doch einfach aus, verdammt, und quält euch nicht mehr. Asche zu Asche, Staub zu Staub – so sollte es eigentlich sein, aber dies war eine absolut widerliche Verunglimpfung der Natur.
    Am schlimmsten war jedoch, dass man sich nicht gegen das Mitleid wehren konnte, das krampfartig aus dem eigenen, tiefsten Inneren aufstieg und einen dicken Kloß in der Kehle bildete, wenn man sich überlegte, wie grauenvoll, würdelos und ungerecht der Tod dieser Menschen doch gewesen war. Sicher, Menschen – selbst junge und schöne – starben bei Autounfällen, an diversen Krankheiten, in Kriegen oder durch furchtbare Verbrechen, und manchmal wurden ihre jungen, gesunden Körper dabei auch verstümmelt und zerfetzt. Diese Todesfälle waren schon ohne Wut und Verzweiflung nur schwer zu ertragen. Aber niemand sollte wie ein Fisch ausgenommen oder wie ein Tier abgeschlachtet und dann wie ein verdammtes Stück Dörrfleisch zum Trocknen liegen gelassen werden. Man musste fast jeden Tag irgendwelches beschissenes Zeug ertragen, aber wenn man weiterhin ein Mensch sein wollte, dann musste man sich, im tiefsten Inneren, einfach bewusst machen, dass einige Dinge auch jetzt noch schlichtweg falsch waren und einen regelrechten Urschrei loslassen, um seine entsetzliche Abscheu auszudrücken. Und das, worauf ich an diesem wunderschönen Frühlingstag in diesem Supermarkt starrte, war so falsch, wie es nur sein konnte.
    Da war es wieder, dieses verfluchte Tausend-Yard-Starren, dieser Tunnelblick, der mich irgendwie von der Welt abgrenzte und mich dazu verführen wollte, einfach alles loszulassen.
    Zu meiner Linken hörte ich ein Brüllen und drehte mich um. Über den Regalen, die, wie in diesen kleinen Lebensmittelmärkten üblich, etwa bis auf Kinnhöhe reichten, sah ich etwas, das ich nur als haarlosen Bären beschreiben kann, der seine Arme nach vorne ausgestreckt hielt und in bester Frankenstein-Manier auf mich zutorkelte. Ich hätte jeden Eid geschworen, dass das Ding in seinem menschlichen Leben ein professioneller Wrestler gewesen war – er wog um die 160 Kilo und war fast einen Kopf größer als ich, und sein ganzer Körper war voller Tätowierungen, obwohl sein Fleisch nun von grauen Flecken übersät war,
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