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Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live: Vom Überleben unter Zombies (German Edition)
Autoren: Kim Paffenroth
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sich getragen hatten, konnte man sich genauso gut, gleich an Ort und Stelle, eine Knarre in den Mund stecken und allem ein Ende bereiten, weil man sonst wahnsinnig wurde – und das schnell. Aber, weiß Gott, wenn man sie nie als Menschen betrachtete, wenn man sie nur als Fleischpuppen sah, deren Köpfe vor dem Gewehrlauf explodierten, dann war es vielleicht ein Glücksfall, wenn jemand die Gnade besaß, einem ebenfalls eine Kugel in den Kopf zu jagen, denn dann war man zu einem viel größeren Monster mutiert, als sie es jemals sein konnten.
    Ich schüttelte mich, um mich aus meiner Lähmung zu befreien – ich bin mir nicht ganz sicher, warum, aber ich war noch nicht bereit aufzugeben. Ich warf meinen Rucksack hinunter, und er landete hinter dem Zombie. Er drehte sich danach um und blickte sofort wieder zu mir nach oben. Sein Kopf fiel von einer Seite zur anderen, und auch jetzt war ich froh, dass er zur Stummheit verdammt war, denn ganz offensichtlich war er ziemlich aufgebracht und hätte bestimmt einen ordentlichen Lärm veranstaltet, wenn er gekonnt hätte.
    Wir benutzten unsere Schusswaffen nie, wenn es nicht unbedingt nötig war – sie waren einfach zu laut und lenkten viel zu viel unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich –, also zog ich das Messer mit der langen, dünnen Klinge, das wie ein Bajonett aussah, heraus, da ich es für die am besten geeignete Waffe hielt. Ich stellte mich an den Rand der Sperrholzplattform. »Es tut mir leid«, sagte ich und sah dem Zombie direkt in die Augen. »Ganz tief drinnen verstehst du mich ja vielleicht noch: Es tut mir leid.«
    Ich trat einen Schritt nach vorne und stürzte hinunter. Ich versuchte, ihn mit meinem rechten Fuß an der Schulter zu treffen, aber er fuchtelte wild mit den Armen herum, sodass mein Stiefel ihn am linken Handgelenk traf und an seinem Arm abrutschte. Ich warf mich nach rechts und rollte zur Seite, während der Zombie gegen den Baum knallte.
    Als er sich zu mir umdrehte, rappelte ich mich auf, machte einen Schritt nach vorne und bohrte ihm das Messer ins linke Auge. Er fuchtelte mit den Händen, aber ich konnte nicht erkennen, ob er mich angreifen oder meinen Schlag abwehren wollte. Die Klinge war so lang und dünn, dass sie sich beinahe bis zu seiner hinteren Schädelwand durchgebohrt hatte. Der ganze Angriff verlief völlig lautlos, nur als die Klinge durch den Augapfel ins Hirn eindrang, war ein glitschiges Matschgeräusch zu hören.
    Ich zog das Messer wieder heraus, packte den Zombie an den Haaren und warf ihn neben mir zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
    Damit war es vorbei. Wie wir alle hatte ich mir immer vorgestellt, Kämpfe auf Leben und Tod seien höchst dramatisch. Aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass man nur in den seltensten Fällen auf Chuck-Norris-Tritte zurückgreifen oder Matrix- artig die Wände hochrennen musste, während man zwei Automatikwaffen abfeuerte. Falls jemals irgendjemand einen Film über den Krieg gegen die Untoten dreht, wird man darin womöglich solche Tricks sehen, ich weiß es nicht. Aber meistens, wie an diesem Morgen, gab es nur ein paar heftige, unbeholfene Hiebe, und alles war vorbei.
    Ich war kaum außer Puste, geschweige denn völlig außer Atem, obwohl ich fand, dass jemand, der gerade etwas getötet hatte, das noch irgendwie menschlich war, wenn vielleicht auch nur ein ganz klein wenig, es eigentlich sein sollte. Noch vor ein paar Monaten wäre mir zumindest übel geworden, aber jetzt nicht mehr. Die Kreatur von oben aus dem Baumhaus zu beobachten, war viel traumatischer gewesen, als ihr den tödlichen Stich zu verpassen.
    Ich beugte mich über meinen Möchtegern-Mörder und säuberte das Messer an seiner Anzugjacke. Dann griff ich in seine Jackentasche. Dieses kleine Ritual führte ich, wenn ich konnte, jedes Mal durch, obwohl das Entsetzen und die Not in dieser von Zombies verseuchten Welt es meist unmöglich machten. Ich zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr den Führerschein. Ich starrte lieber auf das Führerscheinfoto als hinunter zu meinen Füßen, auf den blutüberströmten Schrecken mit dem untoten Auge und der blutigen, leeren Augenhöhle. Das Gesicht lächelte mich an, glücklich, lebendig – Jahre, Jahrzehnte seines Lebens noch vor sich. Ich räusperte mich, um deutlicher sprechen zu können: »Ich habe Daniel Gerard getötet. Ich hoffe, er ist jetzt an einem besseren Ort.«
    Dann warf ich die Brieftasche mit dem Führerschein auf seinen bewegungslosen Körper, schwang mir
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