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Durchgebrannt - Roman

Durchgebrannt - Roman

Titel: Durchgebrannt - Roman
Autoren: Kristina Dunker
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das nicht mehr mit. Ich bin auch alt geworden.«
    »Oma! Was ist passiert?«
    »Wir haben dich vermisst. Daniel meinte, dir wäre wohl schlecht geworden. Er ist los, um dich zu suchen. Der ist dann auch ganz lange nicht wiedergekommen, hat sich wohl auf dem Gelände verlaufen.«
    »Dieser Trottel.«
    »Dann hat deine Mutter die Eltern von deinem Freund getroffen und dein Vater ist wutentbrannt nach Hause gefahren, um nachzuschauen, ob das stimmt und ob deine Sporttasche weg ist. Ich hab zu deiner Mutter gesagt, sie soll dich auf deinem Telefon anrufen, aber sie hatte ihres nicht dabei und war so aufgeregt, dass ihr deine Nummer nicht eingefallen ist. Das sind ja auch immer so viele Zahlen. Und Sarah sollte nichts mitbekommen und -- sag mal, hast du deinen Eltern Geld weggenommen? Das kannst du doch nicht machen. Hättest du mal lieber mich gefragt.«
    »Hättest du's mir denn gegeben? Jetzt? Für meinen Urlaub?«
    Oma schweigt einen Moment. »Schwer zu sagen. Ich bin froh, dass ich so was nicht mehr entscheiden muss. Jedenfalls haben sich deine Eltern gestritten. Dieser Ärger vor all den Leuten. Ein paar Mädchen aus der Schule waren da, um Sarah zu besuchen, und sogar eine Lehrerin. Die hätten ja nicht mitkriegen müssen, dass du ausgerissen bist. Dann hat deine Oma Hildevor lauter Aufregung noch einen Schwächeanfall bekommen. Das fehlte uns noch. Und Sarah . . .«
    »Was ist mit Sarah?«
    Ihre Stimme wird kleinlaut. »Das weiß ich nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Deine Eltern sind noch im Krankenhaus. Ihr ging's ganz schlecht auf einmal, darum haben sie alle weggeschickt außer deinen Eltern. Und sie machen jetzt erst mal lauter Untersuchungen . . .« Oma stößt einen tiefen, tragischen Seufzer aus. »Dieser blöde Geburtstag. Es war ein Fehler, so ein Brimborium darum zu machen. Die ganzen Gratulanten, das war alles schön und rührend und sie hat sich ja auch gefreut, aber es hat sie eben auch gestresst. Außerdem glaube ich, ist ihr ihre Situation noch einmal so richtig klar geworden. Besonders, als sie ihre Klassenkameradinnen gesehen hat. Die reden vom Führerschein und sie . . . Volljährigkeit . . . damit soll das Leben anfangen, nicht aufhören.«
    »Aber sie schafft es, oder? Sie stirbt doch jetzt nicht?« Meine Stimme ist ein Flehen. »Oma?«
    »Nein, ich glaube nicht. Genau kann das wohl keiner wissen. Die Ärzte sagen, so eine Schwächephase sei normal. Wichtig ist allerdings, dass sie sich jetzt nicht aufgibt. Florian, pass auf dich auf. Dein Opa hätte gesagt, du sollst auch Spaß haben im Leben, obwohl . . . Ach, wie auch immer: Ich bin froh, dass du gesund und gut versorgt bist und dir nichts passiert ist. Tschüss.«
    Damit legt sie auf.

21
    Ich laufe durch die Dünen. Dann lasse ich mich in den Sand fallen, schließe die Augen und sehe alles vor mir.
     
    Nils' Vater sagt meiner Mutter, wo ich bin. »Das wissen Sie nicht? Ihr Sohn nimmt sich ja einiges heraus. Der ist ja überhaupt nicht erzogen.«
    Meine Mutter steht da wie eine ausgeschimpfte Schülerin. Sie merkt, wie Nils' Eltern auf ihre Bluse mit den auf die Schnelle ausgewaschenen Kotzeflecken gucken. Sie sieht an sich herunter und muss sich zusammenreißen, nicht loszuheulen.
    Dann kommt mein Vater. Er erfasst die Situation, behauptet, er hätte mir erlaubt mitzufahren. Er lügt aus Scham und verwirrt meine Mutter, die das so schnell nicht durchschaut. Er kann es ihr nicht erklären, knurrt und murrt und nimmt seine Brille ab, nur um sie sich im nächsten Moment wieder aufzusetzen. Dabei zaubert er schwitzend die nächste Lüge aus dem Hut, nämlich, dass er jetzt kurz nach Hause muss, um in Ruhe mit der Firma zu telefonieren und irgendwelche Unterlagen zu holen.
    Meine Mutter ahnt, warum mein Vater in Wahrheit nach Hause will. »Manfred, so aufgeregt, wie du bist, möchte ich nicht, dass du fährst!«
    Und das macht alles noch schlimmer, denn er hasst es, gegängelt zu werden.
    »Sag mir nicht, was ich zu tun habe!«
    »Du rast, Manfred, du machst mir Angst. Außerdem hat dein aggressiver Fahrstil uns schon viel Geld gekostet, das wir besser für andere Dinge hätten brauchen können.«
    Jetzt fliegen die Fetzen, mitten auf dem Gang, mitten zwischen den Scheintoten der Onkologie und den nach Tratsch lechzenden Verwandten. Und dann kommt die Angst: Sarah wird eilig aus dem Zimmer gefahren.
     
    So ähnlich wird's gewesen sein. Doch das ist keine Entschuldigung dafür, dass sie mich nicht anrufen. Ich brauche sie auch. Ich möchte,
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