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Durchgebrannt - Roman

Durchgebrannt - Roman

Titel: Durchgebrannt - Roman
Autoren: Kristina Dunker
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zwei Zimmer weiter. Aber daran, dass er heute Nacht wieder im Schlaf um Hilfe gerufen hat, will er bestimmt nicht erinnert werden.
    »Ihr habt vergessen, mich zu wecken.«
    »Meine Güte, wir haben heute ja wohl andere Dinge im Kopf und können uns nicht dauernd um dich kümmern.«
    Mein Vater schießt immer gleich zurück, wenn man ihn kritisiert. Diesmal nehme ich's ihm aber nicht übel, denn ich weiß, dass er eigentlich auch keinen Bock auf die Sippe hat, und ich sehe seinen verzerrten Blick, als er aus der Küche Mama »Gesund heit und Frohsinn sei'n auch mit dabei« singen hört.
    Ich wage einen winzigen Spaß: »Das singen wir gleich im Kanon, mit Daniel als Dirigent.«
    Mein Vater sieht mich ratlos an - unentschieden, ob er sich auf mein Lästern einlassen und lachen oder mich anschreien soll. Kann sein, dass er mir gleich wieder lautstark vorwirft, »kontraproduktiv« zu sein.Er öffnet schon den Mund. In dem Moment klingelt's an der Haustür.
    »Schwiegermutter«, brummt mein Vater und hat nun keine Zeit mehr, meine Bemerkung zu kommentieren. »Zwei Minuten, dann ist Abflug. Wenn du nicht fertig bist, bleibst du zu Hause.«
    Liebend gern.
     
    In meinem Zimmer stolpere ich fast über die Gestelle der Gästebetten, die -- noch ohne Matratzen -- mitten im Raum stehen. In einem werde ich schlafen, im anderen mein Cousin Daniel. Im richtigen Bett, in meinem, wird sich mein fetter Onkel Thomas breitmachen. Thomas, die Walze, schwitzt schon, wenn er ein Glas Bier trinkt. Obwohl das Schwabbeln und Schweißabsondern eklig ist, darf er mein Bett beanspruchen, wegen seines Bandscheibenschadens. Sein Sohn Daniel ist angeblich hochbegabt, was außer den Eltern aber noch nie jemandem aufgefallen ist. Auf mich macht das verkannte Genie auch eher einen behinderten Eindruck. Mit ihm kann man rein gar nichts anfangen, nicht mal am PCspielen.
    Was hab ich eine Wut! Dieses Wochenende wird das ganze Haus voller Leute sein - alles Leute, die Sarah nicht sehen will. Ich übrigens auch nicht. Ich wollte mir mit Nils, Eric und Ferhad ein Zelt teilen. Ich wollte am Strand Fußball spielen, mich in die Nordseewellen werfen und abends einen draufmachen. Fluchend checke ich mein Handy. Keine neuenSMS von Sarah, dafür eine von Nils:
Halt durch, Alter. Bis Dienstag.
Durchhalten - leichter gesagt als getan.
    Mama hat zur Krönung des Irrsinns verlangt, dass ich mein Konfirmationshemd anziehe. So seh ich aus wie Daniels Klon. Ich werde mir wohl absichtlich Kaffee oder giftgrünen Wackelpudding drüberkippen.
    Sarah wird wahrscheinlich schlafen, wenn wir auf der Station ankommen. Sie wird die Augen zuhaben und davon träumen, Turnschuhe, Bikini und Schlafsack in die Reisetasche zu stopfen und sich mit mir auf den Weg zur Bushaltestelle am Sportplatz zu machen. Sie ist leider zu schwach, überhaupt für längere Zeit aus dem Bett aufzustehen, und ich bin zu jung, um mich gegen meine Eltern durchzusetzen.
    Um meine Laune ein bisschen zu heben, stelle ich mir vor, mein Onkel und mein Cousin müssten ohne Matratzen auf den Gestellen der Gästebetten schlafen. Angekettet und ohne Abendessen. Wenn ich ihr Gefängniswärter wäre, würde die Walze schnell wieder auf normale Maße zusammenschrumpfen. Damit hätte ich sogar noch ein gutes Werk getan, weil ich die Krankenkassen entlaste. Die rücken doch so wenig Geld raus, jedenfalls behauptet das mein Vater. Und weil sie selbst der krebskranken Sarah nicht alles bezahlen, müssen wir eben noch was drauflegen: die Urlaubskasse, mein Taschengeld . . . und natürlich die paar Euro, die für meine Wochenendfreizeit mit dem Sportverein draufgegangen wären.

2
    Auf der Fahrt streiten sich meine Eltern, weil meine Mutter versucht, sich den abgesprungenen Blusenknopf anzunähen, und meinen Vater das aus irgendeinem Grunde nervös macht.
    »Lass doch das Rumgefummel, das ist jetzt wirklich nicht nötig.«
    »Was stört dich denn daran?«, fragt sie angriffslustig.
    »Mich stört deine ständige Perfektion. Du machst und tust und lädst tausend Leute ein . . .«
    »Weil sonst alles zusammenbricht. Einer muss ja für Normalität sorgen. Außerdem sind das deine Geschwister und du hättest deine Mutter schon längst mal --«
    »Oh, Silvia, nerv mich nicht!«
    Bevor das Geplänkel eskaliert, mischt sich Oma Gabi ein. »Ihr werdet doch jetzt nicht wegen eines Knopfs einen Ehestreit anfangen.«
    Sie hat keine Ahnung, was ein Knopf alles anrichten kann.
    Als ich noch sehr klein war, hab ich mir einmaleinen
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