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Durchgebrannt - Roman

Durchgebrannt - Roman

Titel: Durchgebrannt - Roman
Autoren: Kristina Dunker
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»Diesmal habe ich kein gutes Gefühl. Sie ist heute anscheinend wieder richtig zusammengeklappt.«
    »Woher weißt du das? Haben -?«
    Nils wird von Lennart unterbrochen. »Jetzt weiß ich, welchen Florian du meinst.
Florian! «
Er dreht sich zu mir um und hebt eine Flasche Wodka zum Mund. »Prost! Auf deine Schwester!« Und dann, naiv, betrunken und völlig unsensibel, fängt er an zu singen: »Hoch soll sie leeeben . . .«
    Ich denke an meine Mutter, die verzweifelt versucht, Normalität zu spielen, und dabei so erbärmlich hilflos wirkt.
    »Hoch soll sie leeeben.«
    An meinen Vater, der vor jedem Arztgespräch Herzrhythmusstörungen bekommt und gleichzeitignach außen hin Härte demonstriert, indem er mich nicht anruft.
    »Dreeeiiimal . . .«
    Und an Sarah, die alles mitmacht, jede Behandlung, jeden Besucher, jedes Lied -- bis zur letzten Sekunde.
    ». . . hoch.«
    Aufhören!
    Ich schlage Lennart die Flasche aus der Hand. Mit Wucht knallt sie gegen seine Zähne.
    Lennart schreit auf und kippt nach hinten, Richtung Nils, der ausweicht und ihn ungebremst in die Tüte mit den Flaschen krachen lässt. Glas zerbricht.
    Eine Flasche ist zur Seite gerollt, eine merkwürdig geformte Flasche. Plastik. Nils hält sie hoch. »Flori an ?«, fragt er. »Lassen wir ihn trinken?«
    »Von mir aus. Hauptsache, er ist endlich ruhig.«
    Nils schraubt den Verschluss ab, reicht Lennart die Flasche.
    Der jammert: »Ich blute.«
    »Weichling.«
    »Trink und halt's Maul«, befiehlt Nils. Der Blick trifft meinen. »Florian?«
    »Auf ex«, sage ich, obwohl ich etwas anderes sagen müsste, denn mir dämmert natürlich, dass hier etwas falsch läuft.
    Nils starrt erst mich an, dann Lennart.
    Der sagt: »Riecht seifig.«
    Dann legt er den Kopf in den Nacken, hebt die Flasche und sperrt den Mund auf.
    Wie in Zeitlupe verfolge ich seine Bewegungen. Gleichzeitig schiebt sich ein anderes Bild über das, was ich sehe: Julia und Corinna, die uns einen Streich spielen und die Flaschen vertauschen. Ich ahne, was gleich passieren wird, und für einen kurzen Moment fühle ich so etwas wie Genugtuung, denn eins weiß ich mittlerweile genau:
    Sosehr ich mich auch anstrenge, ich werde in dieser Urlaubsfreizeit nie und nimmer Spaß haben können. Warum sollen dann andere Spaß haben?
    Andererseits -
    »Hör auf!« Ich stürze vor, um Lennart die Flasche zu entreißen. Zu spät. Er hat schon einen ordentlichen Schluck in seine gierige Kehle geschüttet, gibt im nächsten Augenblick ein glucksendes Geräusch von sich und greift sich an den Hals.
    »Lennart, spuck das aus«, rufe ich.
    Lennart spuckt und würgt. Er reißt den Mund auf und streckt die Zunge raus. Er macht den Hals so lang, als wolle er ihn vom Körper abtrennen. Er stöhnt und greift Hilfe suchend nach meinem Arm.
    Mein Herz rast. Verdammt, was haben wir gemacht?
    Lennarts Finger kneifen und quetschen meinen Arm. Es tut weh, aber ihn anzusehen ist schlimmer.
    »Nils, gib mir Wasser, damit er den Mund ausspülen kann!«
    »Buaah, nein.«
    »Trink!«
    Er hat keine Wahl. Er schüttet Sprudel in sich hinein.
    Und dann, gerade als der Regen richtig losgeht, kommt sie: die erste zarte Seifenblase.
    »Das ist die Kohlensäure«, sagt Nils, aber das ist natürlich Quatsch. Es ist einfach das, was passiert, wenn man Spülmittel mit Wasser mischt:
Zitronenfrische
.
    »Scheiße«, jammere ich und senke meine Stimme, damit Lennart nichts hört. »Nils, guck dir das an, was hast du da gemacht?«
    »Jetzt war ich es etwa?«, ruft Nils. »Du warst doch einverstanden. Es war doch deine Rache. Du hast dem Spasti doch zuerst die Fresse poliert. Außerdem: Was will er? Er hat es doch selber getrunken. Wir haben ihn nicht gezwungen.«
    Ich drücke Nils mein Handy in die Hand, damit er Hilfe holt, und fordere Lennart gleichzeitig auf, Wasser zu trinken.
    Aber das ist keine gute Idee von mir. Ganz im Gegenteil.

23
    Als Finn, Lea und Peter dazukommen, sehen wir im Licht der Taschenlampen, wie Lennart Spülmittel ausspuckt. Er hat dabei mit beiden Händen seinen Hals umklammert und ich stelle mir vor, wie das Zeug seine Speiseröhre angreift. Ein Gedanke, bei dem mein eigener Hals auch ganz rau wird.
    »Was ist denn hier los?«
    Weder Nils noch ich antworten Peter. Lennart kann nicht. Ein paar Tränen laufen aus seinen Augen. Jetzt versucht er, doch etwas zu sagen, schluckt, spuckt, würgt, blubbert und bringt ein einziges, kaum verständliches Wort hervor: »Spü-pü-pülmit tel .«
    »Da ist Brechen genau das
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