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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis
Autoren: James Sallis
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angefangen, sie wieder instand zu setzen. Hat bislang wohl ziemlich gute Arbeit geleistet, sagen manche. Scheint aber irgendwie von
Luft allein zu leben. Hat einen Halbtagsjob bei Carl Sanderson angenommen, liefert für ihn Lebensmittel aus, und so muss er dann wohl auch Miss Chorley kennengelernt haben. Und eh man sich versieht, ist die Veranda wieder an der Stelle, wo sie sein soll, altes Holz am Haus wird ausgewechselt, das Ganze bekommt einen neuen Anstrich.«
    »Und das Auto?«
    »Man munkelt, dass in der Familie noch nie jemand besonders viel von Banken gehalten hat, und die alte Dame soll ein Vermögen dort draußen gebunkert haben. Unter den Bodendielen, irgendwo auf der Weide vergraben oder in einem falschen Grab – Sie wissen ja, was Leute so reden. Falls jemals Geld den Besitzer gewechselt hat, war davon zumindest nichts zu sehen. Der Junge besaß außer seinem Namen nur noch ein Paar Hosen und zwei unterschiedliche Socken. Aber Miss Chorley hat ihm wohl das Auto gegeben. Vielleicht als Bezahlung, möglicherweise auch, weil sie selbst keine Verwendung mehr dafür hatte. Vielleicht auch einfach nur, weil sie ihn mochte. Muss ziemlich einsam gewesen sein, all die Jahre so ganz allein dort draußen.«
    »Und woher wissen Sie das alles?«
    »Vor ungefähr einer Woche war Seth auf seiner
gewohnten Runde draußen bei der alten Bergwerksstraße. Er hat den Buick erkannt, winkt ihn rechts ran. Der Junge hatte den Fahrzeugbrief bei sich, die alte Dame hatte ihm den Wagen überschrieben.«
    »Klingt nicht so, als hätte er viel dafür getan, um ihn sich zu verdienen. Er hat die Veranda repariert, okay, ein paar Wände geflickt –«
    »Ich glaube nicht, dass er da oben schon fertig war. So wie es aussieht, war er auf dem Weg aus der Stadt und ist noch kurz auf einen Sprung in den Lebensmittelladen, um Carl Sanderson Bescheid zu geben, dass er für ein paar Tage weg ist. Anfang bis Mitte der Woche wollte er zurück sein.«
    »Danke, Sergeant.«
    »Keine Ursache. Rufen Sie an, wenn ich sonst noch was für Sie tun kann. Hoffentlich geht’s für den Jungen gut aus.«
    »Das hoffen wir alle.«
    Während ich mit Sergeant Haskell sprach, war ein Mann ins Büro gekommen und direkt hinter der Tür stehen geblieben. Er starrte Eddies Sperrholzplatten an. Um die fünfzig, taubenblaues Sakko zu einer kastanienbraunen Hose mit Permanent-Bügelfalte, die ein paar Nuancen heller war als der Rest. Ein dünner Oberlippenbart klebte in zwei Flügeln
unter seinen Nasenlöchern und sah aus wie ausgeschnaubt.
    Er hatte sich mit Lonnie unterhalten. Als ich jetzt auflegte, deutete Lonnie mit einem Finger in meine Richtung, und der Mann kam angetrabt. Seine Kopfbehaarung war mehr oder weniger Geschichte. Der größte Teil seiner Schuhsohlen war offenbar ebenfalls verschwunden. Kein besonders kräftiger Mann, dennoch wirkte er wie einer.
    »Sheriff Turner? Ich bin Jed Baxter.«
    June brachte einen Stuhl herüber, und er nahm Platz, worauf er etwa einen Kopf kleiner war als meine Augenhöhe. Tatsächlich hatte er auf den ersten Blick nicht nur kräftiger, sondern auch größer gewirkt. Alles eine Frage der Haltung.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Er griff nach Brieftasche und Dienstmarke, doch ich winkte ab, da es auf der Hand lag. Er nickte. »Polizeidienststelle Fort Worth, Texas.«
    »Da sind Sie ziemlich weit weg von zu Hause.«
    »Ehrlich gesagt, hier oben bei euch sieht’s auch nicht viel anders aus als bei uns. Nur alles ’ne Nummer kleiner.«
    »Nochmals: Was kann ich für Sie tun?«
    »Richtig. Ich glaube, Sie kennen einen gewissen Eldon Brown.« Als ich schwieg, fuhr er fort: »Er
ist uns quasi abhandengekommen. Und wir würden ihm gern einige Fragen stellen. Der Mann hat in seinem Leben keine nennenswerte Spur hinterlassen. Als wir anfingen, es unter die Lupe zu nehmen, war das hier einer der Orte, auf die wir stießen.«
    »Er hat eine Zeit lang hier gelebt. Was Lonnie Ihnen zweifellos schon gesagt hat.«
    »Das hat er, ja. Ist jetzt weg seit, wie lange? Seit zwei Jahren?«
    »So ungefähr.«
    »Seitdem keinen Kontakt mehr gehabt?«
    »Eine Handvoll Briefe, zu Anfang. Dann hat auch das aufgehört.«
    »Ist irgendwas passiert, das ihn veranlasst hat, von hier fortzugehen?«
    Er lächelte und sah mir dabei fest in die Augen. Wie viele Cops verfügte auch Baxter über ein gewisses Maß an Verhörtechnik, die sich zu gleichen Teilen zusammensetzte aus Gepolter, Schmeichelei und Schweigen. Eldon erzählte früher von ein paar
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