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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis
Autoren: James Sallis
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Bassisten, mit denen er zusammengespielt hatte, Typen, die nur zwei Bassläufe beherrschten, die sie dafür aber flott rauf und runter spielen konnten. So lief das hier jetzt auch. Ich erwiderte das Lächeln, wartete und sagte: »Nichts.«

    »Ich nehme nicht an, dass Sie eine Idee haben, wohin er gegangen ist, als er ging?«
    Texas, sagte ich, und erzählte ihm von den Festivals.
    »Musiker. Ja, das ist dann auch schon so ziemlich alles, was wir von ihm wissen.«
    Wieder das Lächeln. Haare, die der alten Heimat auf dem Schädel den Rücken gekehrt hatten, hatten sich in den Ohren niedergelassen, aus denen sie nun wie Weizengarben sprossen. Ich saß da und stellte mir vor, wie sie sich sanft wiegten im Luftzug des sich drehenden Ventilators am anderen Ende des Raums.
    »Zu wem würde er vermutlich Kontakt aufnehmen, wenn er zurück wäre?«
    »Es ist eine kleine Stadt, Detective. Hier kennt jeder jeden.«
    Baxter schaute sich in aller Seelenruhe im Raum um. Dann sah er Lonnie und June an, die ganz offensichtlich zugehört hatten. June senkte den Blick. Lonnie nicht.
    »Sie sind nicht sehr gesprächig, was, Sheriff? Seltsam, dass Sie nicht mal gefragt haben, warum ich Brown suche.«
    »Durchaus nicht.«
    Er hob die Augenbrauen.

    »Sie haben sicher einen guten Grund, es mir nicht zu sagen. Und falls Sie es mir sagen wollen, dann werden Sie das zu gegebener Zeit schon tun. Inzwischen entgeht mir natürlich nicht, dass Sie mit keiner Silbe einen Haftbefehl erwähnt haben.«
    Baxter gab einen Laut von sich, eine Mischung aus Hmmmmmpfff und Schnauben. »Ich verstehe … So läuft das hier oben also?«
    »Wir geben uns Mühe. Wenigstens manche von uns.«
    »Tja, dann.« Er stand auf, zupfte an seiner braunen Hose. Die hellere Bügelfalte zuckte, als wäre ein Draht in Bewegung gesetzt worden, sie schien mit dem Rest der Hose nichts weiter zu tun zu haben. »Vielen Dank für Ihre kostbare Zeit, Sheriff.«
    Mit einem Kopfnicken zu den beiden anderen ging er. Durch das Fenster sahen wir, wie er vor der Tür stehen blieb und die Straße hinauf und hinunter schaute. Frisch aus dem Saloon und erst mal taxieren, was angesagt ist.
    »Ein Hai«, sagte Lonnie.
    June sah ihn an.
    »So nannten wir früher Gesetzeshüter, die der Hafer sticht und drauf und dran sind, einen ganz persönlichen Kreuzzug vom Zaun zu brechen.«
    »Ja, hat ganz den Anschein, was?«, sagte ich.

    »Ich werde das natürlich in Fort Worth nachprüfen«, meinte Lonnie.
    »Natürlich.«
    Damals im Gefängnis, als ich an meinem Diplom arbeitete, begann ein Lehrer namens Cyril Fullerton, sich für mich zu interessieren, keine Ahnung, warum. Es fing ganz harmlos an, mit einem zusätzlichen Kommentar unter einer Hausarbeit hier und einer wohlmeinenden Anmerkung unter einem Test da und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer ausgewachsenen Korrespondenz, die sich über die gesamten letzten Jahre meiner Haft hinzog. Nach meiner Entlassung trafen wir uns in einem billigen Imbiss in der Innenstadt, in dem es intensiv nach Pfannkuchen-Sirup, heißem Fett und Aftershave roch. Cy hatte mir dabei geholfen, so was wie eine eigene Praxis aufzumachen, indem er den einen oder anderen Patienten zu mir überwies, wenn er selbst keine Kapazität mehr frei hatte, und auch Kollegen nötigte, das Gleiche zu tun, aber obwohl wir unzählige Male Pläne geschmiedet hatten, uns zu treffen, kam doch immer irgendwas dazwischen.
    Darüber unterhielten wir uns gerade, während eine Kellnerin namens Bea mit übertrieben roten Haaren wiederholt unsere Kaffeetassen nachfüllte, nämlich wie durchschaubar es doch war, dass wir
beide immer eine Vielzahl von Gründen fanden, uns nicht zu treffen, und später, wie enttäuscht wir beide zwangsläufig sein mussten, da wir uns über die Jahre ein bestimmtes Bild von dem anderen gemacht hatten, und das nun vor uns liegende Puzzlesteinchen passte so gar nicht an die Stelle, die wir dafür vorgesehen hatten. Zu dem Zeitpunkt, frisch Bekehrter, der ich damals war, glaubte ich, wir würden offen und ehrlich miteinander reden, zwei Menschen, die über den Lauf der Dinge Bescheid wussten und verstanden hatten, wie die Welt funktionierte, ihre eigenen Ausflüchte und Finten eingeschlossen. Heute erkenne ich unsere Fachsimpeleien als das, was sie waren: billige Gemeinplätze, hinter denen wir uns bequem verschanzen konnten.
    Wir trafen uns danach nie wieder. Er hatte zu viel zu tun, ich hatte zu viel zu tun. Nach und nach erlahmten unsere Anstrengungen,
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