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Dunkler Schnee (German Edition)

Dunkler Schnee (German Edition)

Titel: Dunkler Schnee (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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begreifen, was es bedeutete, und nahm ihre Tochter dann in den Arm. Als sie sie wieder ein wenig von sich schob und sie anguckte, hatte sie Tränen in den Augen. „Du willst mir damit sagen, dass ich Großmutter werde?“
    Marisa, die unterdessen auch ein nasses Gesicht bekommen hatte, nickte und sagte: „Die Sache hat nur einen Haken.“
    „Kann es gar nicht, mein Schatz!“, antwortete die Mutter und drückte ihre Tochter noch einmal.
    Beim anschließenden Kaffee sagte Gudrun: „Ich glaube zu wissen, was du mir sagen willst.“
    „Nein, Mama, es ist schlimmer, als du denkst. Das Kind wird ohne Vater aufwachsen.“ Marisa sagte es so bestimmt, als ob sie sich von vorneherein jedes Kommentares erwehren wollte.
    „Wenn du darüber reden möchtest – jederzeit!“
    „Danke, Mama, ich komme darauf zurück!“ Marisa fiel ein Stein vom Herzen. So einfach hatte sie sich ihre Beichte nicht vorgestellt. Ihre Mutter war progressiv und liberal in ihrer Erziehung gewesen, was aber nicht bedeutete, freigeistig zu sein. An Regeln hatte sich Marisa halten müssen, auch in gewissem Maße an religiöse Traditionen. Kirchenbesuche waren nicht zwingend vorgeschrieben gewesen, aber die Eltern hatten es immer gern gesehen, wenn Marisa sich daran beteiligte.
    Jetzt war sie eine unverheiratete zukünftige Alleinerziehende. Zehn Jahre zuvor hätte das zum Eklat innerhalb der Familie geführt. Marisa war erfüllt von Dankbarkeit und Liebe für Gudrun und, obwohl sie mit einer programmierten Sturheit zu ihren Eltern gekommen war, war sie überwältigt von der Toleranz, die ihr entgegengebracht wurde.
    Die Frauen beschlossen, Claus noch nichts davon zu erzählen. Gudrun äußerte den Wunsch, ihn in der Zeit der Rekonvaleszenz noch eine Weile fernzuhalten von großen Veränderungen. Marisa war es recht. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sich ihr Bauch rundete. Zwei Eingeweihte hatte sie bereits; sie brauchte mit ihren Ängsten und Sorgen nicht mehr hinter dem Berg zu halten. Und die Freude würde sie noch früh genug mit ihrem Vater teilen können.
    Langsam stellte sich das Gefühl, heil zu werden ein und mit dem heranwachsenden Leben ein Bündnis eingegangen zu sein. Dass sie von Volker nach wie vor nichts hörte, bekümmerte sie, weil sie keinerlei Erklärung parat hatte. Es konnte einfach nicht sein, dass er sie nur für ein weiteres sexuelles Abenteuer hatte haben wollen. Wieso hatte er sich so lange die Mühe gemacht, ihr näher zu kommen? Irgendwas stimmte da nicht …
    Das Grübeln darüber half nicht, es trübte die Freude, aber dennoch erlebte Marisa eine befriedigende Zeit.

    Als die Rosskastanien im Volksgarten längst ihre Früchte abgeworfen und ihre Blätter braun verfärbt hatten, als die Eichen und Platanen schon willenlos dem Herbstwind hergaben, was dieser verlangte, spazierte Marisa mit Bruno ihre Lieblingsstrecke durch den Park. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, weit und breit war niemand zu sehen, sodass sie den Hund von der Leine ließ und Stöcke warf.
    Plötzlich spürte sie einen ziehenden Schmerz im Unterleib.
    Ups, dachte sie, was ist das? Sie verlangsamte ihren Schritt und ließ den Stock, den sie gerade werfen wollte, fallen. Nach wenigen Metern ließ der Schmerz nach. Sie blieb eine Weile stehen. Tief in ihrem Innern schrillte eine Alarmglocke – wieder blickte sie sich um, aber niemand war da, der in einer möglichen Not würde helfen können. Sie rief den Hund und nahm ihn an die Leine, um den Heimweg anzutreten. Im Abstand von mehreren Minuten schwollen die Schmerzen an, zwangen sie zum Stehenbleiben und ließen wieder nach. Die aufkommende Angst verdrängte sie; die Überlegung, die Mutter anzurufen, auch. Das wird schon wieder, sagte sie sich und konzentrierte sich auf den Hund. Zu Hause angekommen sackte Marisa gleich auf ihr Sofa, schaltete den Fernseher ein und versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Sie schlief schließlich ein und wachte nach einer Stunde wieder auf, weil die Blase drückte. Auf der Toilette erschrak sie: Ihr Slip war voller Blut! Panisch rief sie ihre Mutter an.

    Gudrun brachte sie in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses; von dort wurde sie gleich zur Gynäkologie geschickt. Als Marisa endlich in den Untersuchungsraum gebeten wurde, spürte sie das kleine Leben ihren Körper verlassen; sie wusste, dass alles zu spät war. Der Arzt brauchte weniger als drei Sekunden, um die Diagnose zu stellen. Wortlos schüttelte er den Kopf. Marisa fühlte sich, als
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