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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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gelangen, musste man entweder zehn Meilen flussaufwärts bis zur Brücke laufen und am anderen Ufer dann wieder zehn Meilen zurück, oder man überquerte den Fluss mit dem Boot und hatte es dann nicht mehr weit.
    Wir benutzten Daddys Boot, das mit dem kleinen Leck, und während ich und Terry ruderten, schöpfte Jinx mit der Kaffeekanne Wasser. Nach einer Weile übernahm ich das Schöpfen, und sie ruderte.
    Bäume neigten sich weit über den Fluss hinaus, und dicht über der Wasseroberfläche hingen zahlreiche Lianen und Moosranken. Wie üblich schwammen überall Schildkröten und Wasserschlangen herum, langbeinige Vögel tauchten nach Fischen, und kleine Insekten tanzten über das Wasser.
    Wir waren schon eine Zeitlang unterwegs, da sagte Jinx: »Habt ihr das gehört?«
    »Was denn?«, fragte Terry. Er trug noch immer seine schwarze Krawatte, hatte jedoch den Knoten ein Stück nach unten gezogen.
    »So ein Klopfen«, antwortete Jinx.
    Wir ließen das Rudern und lauschten. Ich hörte es, ganz leise.
    »Das sind Bäume, die im Wind gegeneinanderschlagen«, sagte Terry. »Sie stehen zu dicht beisammen, und deshalb machen sie solche Geräusche. Seht doch, wie stark der Wind ist.«
    Ich betrachtete die Bäume, und sie bogen sich wirklich ganz schön. Auch das Wasser kräuselte sich.
    »Kann schon sein, dass das der Wind ist«, sagte Jinx. »Aber das sind keine Bäume, die da gegeneinanderschlagen. Das sind Knochen.«
    »Knochen?«, sagte ich.
    Jinx deutete zum Ufer rüber, wo sich dichtes Gestrüpp um die Bäume geschlungen hatte. »Irgendwo dort im Dickicht lebt Skunk. Er hängt Knochen an Fäden auf, und wenn starker Wind weht, schlagen sie gegeneinander. Menschenknochen. Das hören wir da – Knochen.«
    »Es gibt keinen Skunk«, entgegnete Terry. »Das ist ein Ammenmärchen. Wie der Ziegenmann, der im Wald hausen soll. Damit wollen sie nur den Kindern Angst einjagen.«
    Jinx schüttelte den Kopf. »Skunk gibt es wirklich. Er ist ein großer Farbiger, eher rot als schwarz, mit verfilztem rotem Haar; er trägt es wild, wie einen Busch. Es heißt, dass er einen ausgetrockneten Sperling drin hängen hat. Er hat dunkle Augen, die so tot und ausdruckslos sind wie ein Mantelknopf. Es heißt, er kann leiser als ein Windhauch gehen und tagelang ohne Schlaf auskommen. Er schlägt sich wochenlang durch, indem er Wasser aus Schlammlöchern trinkt und Wurzeln isst, und weil er nur dann badet, wenn er in den Fluss fällt oder vom Regen erwischt wird, stinkt er wie ein Skunk, und man kann ihn schon von Weitem riechen.«
    Terry lachte laut. »Red keinen Unsinn!«
    »Er ist halb Indianer – Seminole oder Cherokee oder so was –, deshalb auch die rötliche Haut. Früher hat er als Fährtensucher in den Everglades drüben in Florida gelebt. Er ist ein eiskalter Killer.Niemand belästigt ihn, außer sie wollen jemand aufspüren oder umbringen. Er hackt seinen Opfern die Hände ab und nimmt sie als Beweis mit, dass er seinen Auftrag erledigt hat.«
    »Selbst wenn es einen Kerl mit einem Vogel in den Haaren gibt, der Skunk heißt«, sagte ich, »glaub ich nicht, dass wir seine Knochen klappern hören; das sind Bäume, die gegeneinanderschlagen. Ich hab das früher schon gehört, und nicht nur hier.«
    »Und wenn schon«, sagte Jinx. »Er zieht eh andauernd woandershin. Und wenn das Bäume sind und keine Knochen, heißt das noch lange nicht, dass es Skunk nicht gibt. Ich kenne Leute, die sind ihm begegnet. Ein Mann hat mir mal erzählt, er hätte Skunk beauftragt, seine Frau zu suchen, die davongelaufen war. Skunk hat das offenbar missverstanden, oder es war ihm egal. Jedenfalls hat er nur die Hände mitgebracht, die er ihr mit seinem Beil abgehackt hat. Der Alte, der mir die Geschichte erzählt hat, meinte, er hätte nicht nachgefragt, wo der Rest von ihr wäre, sondern Skunk den vereinbarten Lohn gegeben. Skunk wollte auch kein Geld; er wollte alle Decken von dem Mann und das ganze Essen, das er sich für den Winter eingemacht hatte, und seinen größten, fettesten Jagdhund. Der Alte hat brav alles rausgerückt. Dabei wusste er, dass Skunk selbst besser war als jeder Jagdhund. Vermutlich hat er das arme Vieh gegessen.«
    »Und er hat einen blauen Ochsen namens Babe«, sagte Terry. »Und er kann einen Tornado mit dem Lasso fangen und darauf reiten wie auf einem Pferd.«
    Jinx war so wütend, dass sie fast im Boot aufgesprungen wäre. »Er ist nicht so was wie Paul Bunyan oder Pecos Bill«, sagte sie. »Ihr wollt mich nur ärgern. Das ist
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