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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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nur sagen. Und dann war vor Kurzem auch noch ihr Bruder Jake gestorben, den sie sehr mochte, und die Familie hatte nicht mal einen Hund, der sie jetzt hätte vermissen können.
    Am Tag, nachdem wir sie gefunden hatten, wurde May Lynn in einen billigen Sarg gesteckt und an einem warmen Morgen in einem Armengrab auf dem Marvel Creek Cemetary beerdigt, direkt neben einem von Unkraut überwucherten Feld, auf dem es von Zecken und Sandflöhen nur so wimmelte. Ihre Mutter und ihr Bruder lagen auf demselben Friedhof, aber nicht in ihrer Nähe. Oben auf dem Hügel wurden die Reichen beerdigt. Hier untenwar der Acker umsonst, aber selbst wenn man tote Verwandte hatte, wurde man eben dort verscharrt, wo es gerade passte. Ich hatte gehört, dass viele Gräber sogar übereinanderlagen, wegen Platzmangel.
    Überall auf dem Friedhof spendeten Eichen und Ulmen Schatten. Nur dort, wo May Lynn lag, brannte die Sonne auf ein paar Erdhügel herab. Einige davon waren irgendwie markiert, oft mit kleinen Stöcken. Die Namen, die einmal darauf gestanden hatten, waren von der Sonne ausgebleicht oder vom Regen abgewaschen.
    Der Constable war zu dem Schluss gekommen, dass May Lynn von einer unbekannten Person oder von unbekannten Personen ermordet worden sei, was ich ihm auch hätte sagen können. Damit war die Sache für ihn erledigt. Er behauptete, höchstwahrscheinlich wären irgendwelche Landstreicher am Fluss über sie hergefallen. Offenbar hatten sie ganz zufällig eine Nähmaschine dabeigehabt.
    Er machte sich nicht die Mühe, nach dem Mörder zu suchen oder rauszufinden, was May Lynn da unten verloren hatte. Kein Arzt untersuchte ihre Leiche, um festzustellen, wie sie umgebracht worden war oder ob jemand ihr sonst etwas angetan hatte. Außer mich, Terry und Jinx kümmerte das niemand.
    Der Gottesdienst wurde von einem Prediger aus dem Ort abgehalten. Er sagte ein paar Worte, die wohl genauso unaufrichtig geklungen hätten, wären sie über die tote Lieblingsmaus einer entfernten Verwandten gesprochen worden, die an Altersschwäche gestorben war.
    Nachdem er seinen Sermon beendet hatte, ließen zwei Farbige den Sarg an Seilen in die Grube hinab und fingen dann an, Erde drüberzuschaufeln. Außer den Farbigen, dem Prediger und den Zecken waren wir die Einzigen, die an der Beerdigung teilnahmen – wenn man das denn eine Beerdigung nennen konnte.
    »Man könnte meinen, sie hätten nur den Abfall rausgetragen,so hat sich der Prediger beeilt«, sagte Jinx, nachdem die anderen gegangen waren.
    Jinx war genauso alt wie ich. Sie hatte Zöpfe, die ihr wie geflochtener Draht vom Kopf abstanden. Ihr Gesicht war niedlich, aber ihre Augen wirkten alt, wie bei einem Großmütterchen, das in ein Kind hineingestopft worden war. Sie trug ein Kleid aus einem blau eingefärbten Mehlsack, wobei die Schrift noch schwach durchschimmerte, und sie war barfuß. Terry hatte neue Schuhe an, und irgendwo hatte er sich eine schwarze Krawatte besorgt. Sie war zu einem groben Knoten gebunden und saß ihm eng um den Hals, sodass er aussah wie ein am oberen Ende zugeknoteter Beutel. Er hatte genug Öl in den schwarzen Haaren, um die Achse eines Lastwagens zu schmieren, was aber immer noch nicht genügte, um seine wilde Mähne zu bändigen. Sein Gesicht war ganz dunkel von der Sonne, und seine blauen Augen wirkten wie Stücke, die aus dem Himmel gebrochen worden waren. Keiner von uns war glücklich über das, was geschehen war, aber er nahm es besonders schwer; seine Augen waren ganz verheult.
    »Niemand wird irgendwelche Anstrengungen unternehmen, um herauszufinden, was ihr zugestoßen ist. Ich vermute sehr, dass es nicht in Betracht kommt, nach der Wahrheit zu suchen.«
    Ich fand es toll, wie Terry redete, denn so wie er drückte sich sonst keiner aus. Im Unterschied zu mir hatte er die Schule nicht abgebrochen – mir war sie einfach zu weit weg gewesen, und außerdem ging ich nicht gerne hin. Meiner Mutter, die recht gebildet war, gefiel das überhaupt nicht, aber sie kam nicht aus dem Bett, um sich darüber zu beschweren; dafür hätte sie ja die Schuhe anziehen müssen.
    Terry ging gerne zur Schule. Sogar Mathe machte ihm Spaß. Seine Mutter war Lehrerin gewesen und unterrichtete ihn zusätzlich. Sein Vater war gestorben, als er noch jung war, und vor Kurzem hatte seine Mutter einen Ölhändler namens Harold Webbergeheiratet, mit dem Terry überhaupt nicht zurechtkam. Webber hatte seiner Mutter verboten, weiter an der Schule zu unterrichten – er wollte, dass
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