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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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die Hosen anhatte. Einpaar Mal hatte er sogar Anstalten gemacht, mir den Hintern zu versohlen, und Daddy hatte das für eine ganz gute Idee gehalten. Aber entweder war Mama dazwischengegangen, wofür sie dann selbst von Daddy Prügel bezogen hatte, oder Onkel Gene hatte das Interesse daran verloren, weil ihm die Sauferei wichtiger war.
    Jedenfalls hatte Onkel Gene beschlossen, dass es das Beste war, nach Hause zu fahren, und überließ Daddy seinem Schicksal.
    Daddy versuchte mich dazu zu kriegen, dass ich mich zu ihm ans Feuer setzte, aber ich blieb, wo ich war. Wenn wir im Dunkeln allein waren, fasste er mich manchmal an, und das mochte ich nicht. Er behauptete, zwischen Vätern und Töchtern wäre das ganz normal. Jinx sagte, das stimmte nicht, aber das wusste ich auch so, denn es fühlte sich falsch an. Also hockte ich ein Stück vom Feuer entfernt, und obwohl es einigermaßen warm war, sah das Feuer einladend aus. Aber ich konnte nur daran denken, wie Daddy war. Wie sein Atem die meiste Zeit nach Whisky und Tabak roch. Wie seine Pupillen nach oben rollten, wenn er richtig betrunken war, und seine Augen dann so weiß wurden wie die eines verängstigten Pferdes. Wie sein Atem schneller ging, wenn er versuchte mich anzufassen. Also blieb ich im Halbdunkel sitzen, obwohl die Moskitos allmählich überhandnahmen.
    »Du und diese kleine Schwuchtel, ihr sorgt nur für Unruhe, wo’s gar nicht nötig wär«, grummelte Daddy. »Wenn wir sie ins Wasser zurückgeschmissen hätten, wären wir jetzt zu Hause. Die meisten Sachen, die man sich aufhalst, kann man genauso gut sein lassen.«
    Dazu sagte ich nichts.
    »Wir hätten ein oder zwei Fische hierbehalten sollen, um sie über dem Feuer zu braten«, fuhr er fort, als wäre es meine Schuld, dass Onkel Gene sie alle eingepackt und weggeschleppt hatte. Ein paar hatte es noch ans Ufer gespült, aber er hatte keine Lust, sich vom Feuer zu erheben, sie zu putzen und zu garen. Und ich würdedas ganz bestimmt nicht tun. Ich konnte an nichts anderes denken als an May Lynn. Mir war schlecht, und ich musste Daddy im Auge behalten, denn je betrunkener er war, desto dreister wurde er. Man wusste nie, wann er etwas Dummes oder Bedrohliches tun würde. So war er nun mal. Er konnte lachen und bester Laune sein, und bevor man sich versah, zog er sein Taschenmesser und drohte einem damit. Er machte nicht viel her, aber er war ein berüchtigter Hitzkopf und Messerkämpfer, und auch mit den Fäusten konnte er umgehen, und nicht nur, wenn er Frau und Kinder schlug. Dafür wurde er rasch müde und suchte sich dann einen Ort, wo er sich hinhauen konnte.
    »Du glaubst wohl, du hast es ziemlich schwer, was, Mädchen?«
    »Schwer genug«, erwiderte ich.
    »Du hast ja keine Ahnung! Mein Vater hat mich öfter mal vor die Tür gesetzt, den Riegel vorgeschoben und mich ein oder zwei Nächte nicht wieder reingelassen. Und wenn, dann nur, weil die Kühe gemolken und die Eier eingesammelt werden mussten, und weil er jemand brauchte, den er verprügeln konnte.«
    »Da ist der Apfel ja nicht weit vom Stamm gefallen.«
    »Du hast in deinem ganzen Leben noch keine Kuh gemolken.«
    »Wir hatten ja nie eine.«
    »Ich werde mir eine zulegen, und dann wirst du sie melken. Genau wie ich früher.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte ich und hielt dann den Mund. Die Art und Weise, wie er den Kopf verrenkte und mit dem Schnapskrug herumfuchtelte, verriet mir, dass es besser war zu schweigen. Sonst würde demnächst der Krug durch die Luft segeln, und er würde sich mit fliegenden Fäusten auf mich stürzen. Also blieb ich sitzen, behielt die Augen offen und ließ ihn seinen Schnaps nuckeln.
    Der Mond stand hoch am Himmel, und die Nacht lastete schwer auf dem Fluss, als wir schließlich ein Licht über den Hügel kommensahen. Es folgte dem Weg, der mitten durch den dichten Wald zum Fluss führte. Begleitet wurde das Licht vom Poltern eines Pritschenwagens, dem Rumpeln der Reifen auf unebenem Untergrund und dem Rascheln der Äste, die seitlich über die Karosserie strichen.
    Als der Wagen den Hügel hinter sich gelassen hatte, aber noch ein ganzes Stück vom Wasser entfernt war, hielt er an, und ich konnte hören, wie Constable Sy Higgins die Handbremse anzog. Den Motor ließ er laufen und die Scheinwerfer an. Er stieg aus dem Wagen wie ein Mann, der von einem großen Baum klettert und Angst davor hat, runterzufallen. Terry sprang auf der anderen Seite raus und lief rasch zu mir rüber. So leise, dass niemand es
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