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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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sie sich daheim um die Kinder kümmerte. Daraufhin machte sie sich als Näherin selbständig, aber auch das passte ihm nicht; sie musste ihre ganzen Stoffe fortwerfen, weil er der Meinung war, dass ein Mann für seine Frau sorgte und sie nicht arbeiten sollte, selbst wenn ihr etwas an der Arbeit lag. Letztlich spielte das aber keine Rolle, weil Arbeitsplätze, vor allem für Frauen, so selten waren wie getaufte Klapperschlangen.
    Seit der Hochzeit wirkte Terry wie ein verängstigtes Kaninchen, das ganz schnell ganz weit wegrennen wollte.
    Jinx konnte lesen und schreiben und auch etwas rechnen, genau wie ich, aber sie hatte das nicht in der Schule gelernt. Für Farbige gab es in dieser Gegend keine Schule, also hatte ihr Daddy, der eine Weile oben im Norden gearbeitet und dort lesen gelernt hatte, sie selbst unterrichtet. Er erzählte, dass es im Norden für Farbige in mancher Hinsicht besser war, weil die Leute dort so taten, als würden sie einen mögen, selbst wenn das nicht stimmte. Aber er kam zurück, weil er seine Familie und den Süden vermisste; hier wusste er wenigstens immer gleich, wer ein Schweinehund war, ohne erst rumraten zu müssen.
    Doch als die Zeiten schlechter wurden, hinderte ihn das nicht daran, wieder in den Norden zu gehen. Er tat das äußerst ungern, wie er Jinx erklärte, und meinte das auch ehrlich, aber er musste Geld verdienen, das er dann an ihre Mutter schickte.
    Keiner von uns war in Osttexas glücklich. Wir wollten alle weg, aber irgendwie schienen wir festzustecken wie tiefverwurzelte Bäume. Wenn ich daran dachte, von hier zu verschwinden, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, was jenseits der Sümpfe und Wälder lag. Außer Hollywood. Und das auch nur, weil May Lynn ununterbrochen darüber geredet hatte. Bei ihr klang es großartig, obwohl sie nie dort gewesen war. Trotzdem, da wollte ichhin. Aber wie ich von Jinx gelernt hatte: Scheiß in eine Hand und wünsch dir was in die andere, und du wirst schon sehen, welche zuerst voll ist. Übers Beten sagte sie dasselbe, aber bisher konnte ich mich noch nicht dazu durchringen, es auszuprobieren.
    Wir beschlossen, zu May Lynn nach Hause zu gehen und nachzuschauen, ob ihr Vater dort war, um ihm die schlechte Nachricht zu überbringen und ihm zu sagen, dass er die Beerdigung verpasst hatte. Wir vermuteten, dass er eh schon Bescheid wusste, falls er daheim war, und wenn nicht, wollten wir uns ein wenig umschauen. Ich kann’s nicht erklären, aber wahrscheinlich wollten wir May Lynn noch nicht loslassen, und wenn wir dort hingingen, wo sie gewohnt hatte, würde das die Erinnerung wachhalten.
    Mit May Lynn hatte ich auch zahlreiche Hoffnungen begraben. Ich hatte immer damit gerechnet, dass sie nach Hollywood gehen und Filmstar werden würde, und dann würde sie nach Hause kommen und uns dorthin mitnehmen. Ich wusste nicht, warum, und auch nicht, was wir dort tun sollten, aber es war immer noch besser als die Vorstellung, hier aufzuwachsen und irgendeinen Kerl zu heiraten, der Tabak kaute, nach Whisky roch und mich mindestens einmal die Woche verprügelte und vielleicht von mir verlangte, dass ich die Haare hochgesteckt trug.
    Aber das war alles Schnee von gestern, denn aus May Lynn wurde kein Filmstar. In Wahrheit hatten wir in letzter Zeit nicht mehr so viel mit ihr zu tun gehabt. Als sie zusammen mit der Nähmaschine aus dem Wasser aufgetaucht war, hatte ich sie wohl seit einem Monat nicht mehr gesehen. Terry und Jinx war es wahrscheinlich genauso ergangen.
    Jinx behauptete, sie hätte gedacht, May Lynn wäre in einem Alter gewesen, in dem sie glaubte, dass sie nicht berühmt werden würde, wenn sie mit Farbigen herumhing. Jinx behauptete, ihr hätte das nichts ausgemacht, aber ich hatte da meine Zweifel. Jinx konnte äußerst nachtragend sein.
    Letztlich hatte ich keine Ahnung, was May Lynn zugestoßen war. Niemand ging so gerne ins Kino wie sie, und sie fuhr mit jedem mit, um samstags in die Stadt zu kommen und sich einen Film anzuschauen. Männer nahmen sie nur allzu gerne mit. Ich hätte mich mitten auf die Straße legen und so tun müssen, als wäre ich tot, damit einer anhält, und auch dann wäre ich vielleicht wie eine tote Beutelratte überfahren worden. Gut möglich, dass May Lynn von dem Falschen mitgenommen wurde; einem wütenden Nähmaschinenvertreter zum Beispiel. Vielleicht war das weit hergeholt, aber immerhin machte ich mir mehr Gedanken über die Sache als Constable Sy.
    Um von unserer Seite zu May Lynn nach Hause zu
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