Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
nicht erfunden. Es gibt ihn wirklich. Und ihr solltet euch besser vor ihm in acht nehmen.«
    »Ich wollte dich nicht ärgern, Jinx«, sagte Terry.
    »Hast du aber«, erwiderte Jinx. »Und zwar ganz schön.«
    »Tut mir leid.«
    »Erzähl weiter, Jinx«, sagte ich, um sie zu besänftigen. »Was weißt du noch über ihn?«
    »Er redet nicht viel, außer mit denen, die er umbringt. Es heißt, er kann gar nicht reden, nur komische Laute ausstoßen. Das weiß ich, weil Daddy mir erzählt hat, dass er jemand kennt, der Skunk entwischt ist, wenn auch nur durch Zufall. Skunk war beauftragt worden, ihn aufzuspüren. Nachdem er ihn gefunden hat, hat er ihn an einen Baum gebunden und wollte ihm gerade die Kehle durchschneiden und ihm die Hände abhacken. Der Baum, an den der Kerl gebunden war, stand direkt am Flussufer. Es war ein alter Baum, und der Mann stemmte sich verzweifelt mit den Füßen gegen den Boden, um von Skunk wegzukommen. Obwohl man ihm das nicht ansah, war der Baum total verfault, weil Ameisen seinen Stamm ausgehöhlt hatten. Der Mann erzählte Daddy, dass er die Ameisen spüren konnte, wie sie ihn bissen, aber er nahm ihnen das nicht übel, weil sie den Baum brüchig gemacht hatten, und während er die Beine gegen den Boden stemmte und den Rücken gegen den Stamm drückte, gab der Baum immer mehr nach. Er fiel rückwärts in den Fluss. Der Stamm schwamm auf dem Wasser und drehte sich dabei, und der Mann schnappte immer nach Luft, wenn er oben war. Schließlich fiel der Stamm endgültig auseinander, und dabei lösten sich seine Fesseln, und er schwamm zu einer Sandbank, ruhte sich aus und schwamm dann rüber ans andere Ufer. Natürlich hat ihm das alles nichts gebracht. Daddy hat erzählt, dass er ihn später nie wieder gesehen hat, was seiner Meinung nach daran lag, dass er nicht klug genug war, um in den Norden oder Westen abzuhauen, sondern hiergeblieben ist. Daddy vermutet, dass Skunk ihn irgendwann erwischt hat. Skunk gibt nicht so schnell auf, obwohl er manchmal von der Fährte abweicht, wenn er sich langweilt. Wenn es ihn dann wieder interessiert, macht er weiter. Und er hört erst auf, wenn er seine Beute aufgespürt hat.«
    »Warum war Skunk hinter dem Mann her?«, fragte Terry.
    »Keine Ahnung«, antwortete Jinx. »Jemand hat Skunk auf ihn angesetzt, also hat Skunk ihn gejagt. Ich geh davon aus, dass Skunk ihm die Hände abgehackt und sie demjenigen gegeben hat, der ihn beauftragt hat. Oder er hat sie behalten. Keine Ahnung. Was von dem Kerl übrig war, verfault jedenfalls irgendwo im Wald. Den sieht niemand wieder.«
    Das Boot trieb träge dem Ufer entgegen. Wir fingen wieder an zu paddeln.
    »Er ist dort im Wald«, sagte Jinx, die mit ihrer Skunk-Geschichte noch nicht zu Ende war. »Da, wo’s am finstersten ist. Er wartet nur darauf, dass ihn jemand anheuert. Er hockt in seinem Zelt aus Fellen, an dem die ganzen Knochen hängen und im Wind rasseln. Und irgendwann wickelt er die Knochen in das Zelt, schnallt es sich auf den Rücken, zieht weiter und schlägt irgendwo anders sein Lager auf. Dort wartet er dann, bis jemand nach ihm fragt. Man muss mit einem seiner Vettern reden, wenn man ihn finden will, denn sonst lässt er niemand in seine Nähe, und es heißt, dass sogar seine Vettern Angst vor ihm haben.«
    »Wie ist er denn so geworden?«, fragte ich.
    »Es heißt, seine Mutter hätte ihn nicht mehr ausstehen können, weil er verrückt war, also ist sie mit ihm, als er zehn wurde, zum Geburtstag auf den Fluss rausgerudert, hat ihn ins Wasser geworfen und ihm mit dem Paddel eins übergezogen. Er war aber nicht tot, sondern nur betäubt, und wurde ans Ufer gespült. Seither lebt er am Fluss und in den Wäldern. Später haben sie seine Mutter gefunden. Jemand hat ihr die Hände abgehackt und mit einem Paddel den Schädel eingeschlagen.«
    »Geradezu mustergültig«, sagte Terry und lachte.
    »Lach du nur«, erwiderte Jinx. »Aber glaub mir lieber. Skunk ist da draußen. Und wenn du ihm begegnest, dann war’s das für dich.«

3
    Schließlich näherten wir uns der Stelle am Fluss, wo May Lynn gewohnt hatte, paddelten rüber und sprangen ans Ufer. Terry hielt das Seil fest, das vorne ans Boot gebunden war, und schlang es um einen Baumstumpf am Wasser. Dann zogen wir das Boot sicherheitshalber so weit raus, bis das Loch auf der Erde auflag.
    Bevor wir zum Haus hochgingen, blickte Jinx auf den Fluss raus und zeigte mit dem Finger. Das tat sie andauernd. Zeigte auf dies, zeigte auf das. Jedes Mal, wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher