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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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schlimm, wenn er zu viel Schnaps gesoffen hatte. Ich hab davon auch mal einen Schluck getrunken, aber es hat mir nicht geschmeckt. Dasselbe gilt für Kautabak und Zigaretten und alles Essen mit Grünzeug drin.
    Und was das Haarehochstecken betrifft, redete Oma in Wirklichkeit über irgendwelche religiösen Dinge, und ich kapierte einfach nicht, wie sich Gott, bei allem, worum er sich kümmern musste, noch Gedanken um Frisuren machen konnte.
    An dem Tag, von dem ich jetzt erzähle, tranken Daddy und Onkel Gene ein bisschen was und warfen Säcke in den Fluss, und wo die Walnüsse reinplumpsten, wurde das Wasser dunkelbraun. Nach einer Weile schwammen da dann tatsächlich ein Haufen Sonnenbarsche auf dem Rücken.
    Ich und Terry standen am Ufer und schauten zu, während Daddy und Onkel Gene ins Ruderboot kletterten, sich vom Ufer abstießen und mit Netzen rausruderten, um die Fische einzusammeln wie Pekannüsse, die auf die Erde gefallen waren. Es waren so viele, dass wir wohl nicht nur heute Abend gebratenen Fisch essen würden, sondern morgen auch, und an den Tagen danach würde es Dörrfisch geben – noch eine Sache, die ich vergessen habe, auf die Liste mit den Dingen zu setzen, die ich nicht mag. Jinx sagt, Dörrfisch würde wie vollgeschissene Hosen schmecken, und ich werd ihr da nicht widersprechen. Wenn man Fisch ordentlich räuchert, ist er ganz passabel, aber Dörrfisch? Da kann man gleich auf der Zitze eines toten Hundes rumkauen.
    Von dem Walnussgift starben die Fische nicht gleich, aber sie waren so betäubt, dass sie mit den weißen Bäuchen nach oben an der Wasseroberfläche trieben und mit den Kiemen zuckten. Daddy und Gene sammelten sie mit Käschern ein und taten sie in einen nassen Jutesack, um sie später auszunehmen und zu putzen.
    Die Säcke mit den Walnüssen waren mit Seilen am Ufer befestigt, und ich und Terry gingen runter und wollten sie rausziehen. Die Walnüsse waren noch immer grün, also konnten wir damit ein Stück flussabwärts noch mehr Fische betäuben. Wir packten ein Seil und zogen daran, aber es war wirklich schwer, und nach einer Weile gaben wir auf.
    »Wir kommen gleich und helfen euch«, rief Daddy uns vom Boot zu.
    »Ich glaube, das sollten wir losschneiden«, sagte Terry zu mir. »Hat keinen Sinn, sich die Arme auszurenken.«
    »So schnell geb ich nicht auf«, erwiderte ich und blickte zum Boot rüber. Es hatte ein Leck, deshalb konnten Daddy und Onkel Gene nicht lange draußen bleiben. Onkel Gene musste mit einer Kaffeekanne Wasser schöpfen, während Daddy ans Ufer zurückruderte. Nachdem sie das Boot an Land gezogen hatten, kamen sie uns helfen.
    »Verdammt«, sagte Daddy, »diese Walnüsse sind so schwer wie ’n Ford. Oder ich hab keine Kraft mehr.«
    »Du hast keine Kraft mehr«, sagte Onkel Gene. »Du bist einfach nicht mehr der Kerl, der du mal warst. Mit einem echten Mannsbild wie mir kannst du es nicht aufnehmen.«
    Daddy grinste ihn an. »Teufel auch, du bist älter als ich.«
    »Yeah«, erwiderte Onkel Gene, »aber ich hab auf mich achtgegeben.«
    Daddy stieß ein lautes Johlen aus und sagte: »Ha!«
    Onkel Gene war so fett wie ein Schwein, hatte aber deutlich weniger Charakter. Trotzdem, er war ein großer Mann mit breiten Schultern und Armen so dick wie ein Pferdehals. Daddy sah nicht im Entferntesten so aus, als wär er mit ihm verwandt. Er war
    ein hagerer Kerl mit bleicher Haut und einer Wampe, und wenn
    er mal keine Schirmmütze aufhatte, dann, weil sie ihm vom Kopf gefault war. Er und Onkel Gene hatten zusammen etwa achtzehn Zähne, und die meisten davon gehörten Dad. Mama behauptete, das läge daran, weil sie ihre Zähne nicht genug putzten und Tabak kauten. Manchmal betrachtete ich ihre eingesunkenen Gesichter und musste an alte Kürbisse denken, die auf dem Feld verrotteten. Ich weiß, dass es nicht nett ist, wenn man sich vor seinen eigenen Verwandten ekelt, aber was soll ich machen?
    Wir zogen also alle an dem Seil, und gerade als ich dachte, jetzt reißt es dir den Arm aus den Gelenken, tauchte der Jutesack auf. Aber nicht nur der Sack. Etwas hatte sich darin verfangen, ganz verquollen und weiß, obendrauf büschelweise langes, nasses Gras.
    »Moment mal«, sagte Daddy und zog weiter.
    Da sah ich, dass das keine Grasbüschel waren. Sondern Haare. Und unter den Haaren war ein Gesicht, so rund wie der Mond und
    so weiß wie ein Laken und so aufgedunsen wie ein Federkissen.Ich wusste nicht sofort, wer es war, bis ich das Kleid erkannte. Es war das einzige
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