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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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auf.«
    Kurz darauf kam eine freundlich aussehende Frau mit etwas rundlicher Taille den Gehsteig entlangspaziert, zwei Mädchen dicht hinter sich. Ich vermutete, dass sie etwa ein Jahr auseinander waren, neun und zehn würde ich sagen, aber anderer Leute Alter schätzen konnte ich noch nie gut.
    Die Frau lächelte, und mein Vater lächelte. Die Frau berührte ihn an der Schulter, und er legte den Arm um sie. Die Mädchen sprangen an ihm hoch, um ihm ins Gesicht zu schauen, und ich konnte ihn lachen hören. Es war ein fröhliches Lachen. Das Lachen eines Mannes, dessen Leben einen glücklichen Verlauf genommen hatte.
    »Er geht mit ihnen ins Café«, sagte Mama. »Er war dort, als ich zum ersten Mal mit Captain Burke zu Mittag gegessen hab. Ich wusste nicht, wer er war, aber er kam mir irgendwie bekannt vor, und als ich das nächste Mal zusammen mit Captain Burke dort war, kam Brian herüber und redete mit ihm, und Captain Burke hat mich als Helen Wilson vorgestellt. Natürlich wusste ich inzwischen, wer er ist, aber er hat mich nicht erkannt. So sehr bin ich doch nicht gealtert, oder?«
    »Nein, Mama«, sagte ich. »Wirklich nicht.«
    »Dachte ich mir … na ja, jedenfalls finde ich, ich seh noch ganz gut aus.«
    »Ganz bestimmt«, sagte Jinx. Terry rempelte sie mit der Schulter an, damit sie die Klappe hielt; das war eine Sache zwischen mir und Mama.
    »Er hatte keine Ahnung, wer ich bin. Ich hab rausgefunden, wo er seine Kanzlei hat, hier im Gerichtsgebäude, und ich wusste, dass er ins Café Mittag essen geht, also hab ich hier auf ihn gewartet. Und gleich beim ersten Mal hat er sich mit seiner Frau und seinen Töchtern getroffen. Vorher hatten sie ihn nie ins Café begleitet,aber jetzt tauchten sie auf einmal auf, und das zwei Tage hintereinander.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich bin ihnen gefolgt. Und dabei ist mir klar geworden, dass seinem Leben nichts fehlt. Er hat sich’s hier hübsch eingerichtet, und für mich ist da kein Platz mehr. Damals, als ich eine Chance hatte, ihn an mich zu binden, hab ich ihn gehen lassen, und jetzt kann ich daran nichts mehr ändern, selbst wenn er etwas mit mir zu tun haben wollte – was ich bezweifle. Ehrlich gesagt erwarte ich das auch gar nicht von ihm. Wir sind zu verschieden, wir beide, und er ist glücklich. Dabei will ich nicht stören. Aber nur weil ich ihn gehen lasse, heißt das nicht, dass du das auch musst, Sue Ellen. Er ist dein Vater.«
    Ich schaute zu, wie Brian und seine Familie zum Café schlenderten.
    »Komisch«, sagte ich. »Mich lässt das alles kalt. Als ginge es mich gar nichts an.«
    »Ich bin ein bisschen enttäuscht«, sagte Mama. »Aber besonders nahe geht es mir auch nicht.«
    »Heißt das, wir holen das Geld, kaufen Busfahrscheine und verschwinden von hier?«, fragte Jinx.
    Mama lächelte sie an. »Das ist richtig. Und, Sue Ellen, wohin es uns auch verschlägt, es wäre nett, wenn du irgendwo zur Schule gehen könntest.«
    Wir sind dann doch nicht gleich von Gladewater aufgebrochen. Ich und Jinx verließen den Ort am nächsten Tag, folgten der Straße und stapften querfeldein zum Haus der alten Frau. Den Weg kannten wir inzwischen gut, sodass wir schnell vorwärtskamen und auch keine Nacht im Wald verbringen mussten. Wir hatten etwas Brot mit Käse dabei und einen Krug Wasser.
    Als wir das Haus der Alten erreichten, war es fast ganz ausgebrannt.Wir gingen drum herum und schauten, ob es was zu schauen gab, fanden jedoch nichts außer verkohltem Holz. Immerhin, der Schornstein stand noch. Wir konnten nur raten, was passiert war – vermutlich waren irgendwelche Leute den Fluss runtergekommen und hatten sich nachts da einquartiert, und jemand hatte beim Feuermachen nicht aufgepasst. Wenn das der Fall war, dann hatten sie abhauen können. In der Ruine entdeckten wir keine Leichen.
    Die Schaufel lag noch immer hinterm Haus; allerdings war jetzt das Haus draufgefallen und der Stiel verbrannt. Wir fischten das Schaufelblatt aus der Asche, gingen zu der Stelle, wo wir die Kübel versteckt hatten, und gruben sie aus.
    Dann liefen wir runter zum Fluss und schlichen uns vor zur Böschung, wo Skunk verscharrt worden war. Das war nicht abgesprochen, wir taten es einfach, als hätten wir die ganze Zeit an nichts anderes gedacht, was gut möglich ist.
    An der Stelle, wo Skunk seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, war ein Riesenloch, und die Leiche war weg.
    »Scheiße«, sagte Jinx.
    »Ich glaube, den hat’s weggespült«, sagte ich.
    »Seit wir hier
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