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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser
Autoren: Joe R. Lansdale
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geborene Lügnerin.
    »Und fünfundsiebzig Dollar haben gereicht, dass du Sue Ellen diesem Skunk ausgeliefert hast. Ich hab gehört, wie du zugestimmt hast.«
    »Das hab ich nicht so gemeint«, sagte er. »Sonst hätt ich ja auch nicht Cletus erschossen. Das war alles nur Gerede. Ich würd nie zulassen, dass Sue Ellen was passiert.«
    »Mir machst du nichts mehr vor, Don«, sagte Mama. »Mich willst du wiederhaben und mir das Allheilmittel einflößen, damit ich da oben in dem verrottenden Haus rumliege wie eine Porzellanpuppe. Du änderst dich nie. Du schlägst mich, wenn du wütend bist, und dann erzählst du mir, du hättest’s nicht so gemeint und du würdest dich ändern, aber du änderst dich nicht. Wenn ich bei dir bleibe, ergeht’s mir vielleicht irgendwann so wie Cletus.«
    Don sah Mama lange an, um einen Schwachpunkt in ihrer Argumentation zu finden, aber es gab keinen. Sein Blick schweifte von mir zu Jinx. Ich zuckte nicht mit der Wimper, und Jinx genauso wenig.
    »Das wird dir noch leidtun«, sagte Don. »Du wirst mich vermissen.«
    »Bisher komm ich ganz gut ohne dich klar«, sagte Mama. »Ich hab dich nur da rausgeholt, weil du Cletus umgebracht hast. Das ist ein Mord, mit dem du ungestraft davonkommst. Jetzt sind wir quitt, du und ich, ein für alle Mal.«
    Don setzte seine schmierige Mütze auf, drehte sich um und ging davon.
    »Das war’s dann wohl«, sagte Mama.

27
    Na ja, nicht ganz. Wir sind Don in Gladewater noch ein paar Mal begegnet, wenn er an uns vorbeituckerte, während wir die Straße entlangschlenderten. Offenbar folgte er uns. Captain Burke bekam Wind davon, und kurz darauf sahen wir, wie Don aus dem Ort rausfuhr, das Gesicht ganz blau und geschwollen. Er drehte sich nicht mal nach uns um.
    Captain Burke sorgte auch dafür, dass die Gemeinde für unsere Unterkunft aufkam und unsere Mahlzeiten bezahlte. Diese Gefälligkeit erwies er uns, weil wir, wie er sagte, so viel durchgemacht hatten, aber in Wirklichkeit war er an Mama interessiert. Sie ging sogar ein paar Mal mit ihm im Café essen, aber schließlich kam sie eines Morgens zu mir und sagte: »Sue Ellen, ich möchte, dass du mich begleitest. Ihr beide könnt auch mitkommen, wenn ihr wollt.«
    An dem Morgen war Mama früh aufgestanden und weggegangen. Als sie wiederkam, saß ich mit Jinx bei Terry im Zimmer, das er für sich hatte. Ich und Mama und Jinx teilten uns eins. Es hat Vorteile, wenn einem ein Arm fehlt, sagte Terry.
    Letztlich gingen wir alle. Es war das erste Mal, dass Terry die Pension verließ, denn bisher hatte er sich wegen seines Arms geschämt. Das sagte er natürlich nicht, aber man merkte es daran, wie er uns nicht in die Augen blicken konnte. An dem Tag wirkteer jedoch kräftiger. Das lag wohl daran, weil Mama und Jinx und ich und er am Abend vorher darüber geredet hatten, dass wir das Geld und May Lynn holen, uns Busfahrscheine kaufen und nach Hollywood fahren wollten, um ihre Asche dort zu verstreuen, eine Mission, die ich inzwischen besser nachvollziehen konnte.
    Also folgten wir Mama aus der Pension und gingen mit ihr zum Marktplatz. In der Mitte des Platzes stand, direkt gegenüber vom Gerichtsgebäude, eine Bank unter ein paar Bäumen, einer davon eine große Eiche. Wir setzten uns alle auf die Bank in den Schatten.
    »Behaltet die Tür des Gerichtsgebäudes gut im Auge«, sagte Mama.
    Also saßen wir schweigend da, denn wir merkten, dass Mama das so wollte. Auf dem Gerichtsgebäude war eine Uhr, und die zeigte an, dass es fast Mittag war. Wir schauten zu, wie der Zeiger bis zur Zwölf weiterwanderte, dann ertönte die Mittagsglocke, und zwar so laut, dass ich mir die Ohren zuhielt.
    Leute kamen aus den Häusern rund um den Platz, auch aus dem Gerichtsgebäude. Nach einer Weile sagte Mama: »Siehst du den Mann dort?«
    »Den Dicken?«
    »Ja. Das ist Brian. Dein Papa.«
    Na ja, bisher hatte ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, dass er älter geworden sein könnte, weil Mama sich so gut gehalten hatte. Aber da war er: ein hochgewachsener Mann mit schütterem Haar und einem großen Bauch. Ich versuchte, irgendeine Ähnlichkeit mit mir zu erkennen, aber wenn ich ehrlich bin, war er zu weit weg.
    Er blieb vor der Tür des Gerichtsgebäudes stehen und winkelte das Bein an, um sich an der roten Backsteinmauer abzustützen.
    »Hast du mit ihm geredet?«, wollte ich wissen.
    »Nein. Er ist nicht mehr ganz der Adonis, den ich in Erinnerung habe.«
    »Trotzdem, er ist es«, sagte ich.
    »Ja. Jetzt pass
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