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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete
Autoren: Sharon Bolton
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aus einiger Entfernung konnte ich sehen, dass ihm das Fitnessstudio nicht fremd war. Er trug Jeans und ein graues Polohemd. Gebräunte Arme. Sonnenbrille.
    Die Frau erkannte ich sofort von Fotos her. Schlank wie ein Model, mit glänzendem dunklem Haar, das zu einem kinnlangen Bob geschnitten war. Jeans von der Sorte, für die Frauen über hundert Pfund bezahlen. Sie war die neueste ranghohe Rekrutin der siebenundzwanzig Londoner MIT s, und ihre Ankunft war ausführlich abgehandelt worden, in internen Kreisen ebenso wie in den diversen Polizei-Blogs. Für den Posten eines Detective Inspector war sie ziemlich jung, nicht viel mehr als Mitte dreißig, doch sie hatte gerade einen Fall in Schottland bearbeitet, der viel Aufsehen erregt hatte. Außerdem ging das Gerücht, dass sie sich besser als jeder andere Polizeibeamte in Großbritannien mit HOLMES 2 auskannte – dem Computersystem, das sämtliche Morddezernate im Land benutzten. Natürlich schadete es nicht, hatten ein oder zwei weniger wohlgesonnene Blogs bemerkt, dass sie eine Frau und nicht rein europäischer Abstammung war.
    Ich sah zu, wie sie und der Mann hellblaue Schutzanzüge und Überschuhe anzogen. Sie stopfte ihr Haar unter die Kapuze. Dann gingen die beiden hinter die Abschirmung; der Mann trat im letzten Moment zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen.
    Inzwischen liefen auf dem ganzen Parkplatz Gestalten in weißen Schutzanzügen herum. Die Leute von der Spurensicherung waren eingetroffen. Sie würden einen inneren Sperrbereich um den Leichnam und einen äußeren um den Tatort herum einrichten. Von jetzt an würde jeder, der diesen Bereich betrat oder verließ, sich an-oder abmelden müssen, und der genaue Zeitpunkt seines Kommens oder Gehens würde protokolliert werden. All das hatte ich erst vor ein paar Monaten bei der Ausbildung zum Detective gelernt, doch dies war das erste Mal, dass ich es in der Praxis erlebte.
    Ein pavillonartiges Gebilde wurde über der Stelle errichtet, wo der Leichnam noch immer lag. Mit Planen bespannte Stellwände waren bereits aufgerichtet worden, und binnen kürzester Zeit hatten die Ermittler einen großen, geschlossenen Bereich, in dem sie arbeiten konnten. Polizei-Absperrband wurde um mein Auto herumgespannt. Lampen wurden aus einem Lieferwagen ausgeladen, gerade als der Detective Inspector und ihr Begleiter wieder herauskamen. Sie sprachen kurz miteinander, dann machte der Mann kehrt und ging davon; er stieg über das gestreifte Flatterband, das den Rand des Sperrbereichs markierte. Die Frau kam auf mich zu.
    »Ich lass Sie dann mal«, meinte mein Aufpasser. Ich reichte ihm meine Tasse, und er verzog sich. Der neue DI stand vor mir. Selbst in dem Schutzanzug sah sie elegant aus. Ihre Haut hatte einen kräftigen, dunklen Cremeton, und ihre Augen waren grün. Ich erinnerte mich, gelesen zu haben, dass ihre Mutter Inderin gewesen sei.
    » DC Flint?«, fragte sie mit weichem, schottischem Akzent. Ich nickte.
    »Wir kennen uns noch nicht«, fuhr sie fort. »Ich bin Dana Tulloch.«

3
    »Okay«, sagte DI Tulloch. »Schön langsam, und erzählen Sie weiter.«
    Ich ging los. Meine Füße knisterten bei jedem Schritt auf dem Gehsteig. Tulloch hatte einen einzigen Blick auf mich geworfen und darauf bestanden, dass man mir einen Schutzoverall und Überschuhe brachte. Ich würde mich erkälten, hatte sie behauptet, trotz des warmen Abends, und ich würde viel weniger Aufmerksamkeit erregen, wenn die Blutflecke nicht zu sehen wären. Außerdem trug ich Latexhandschuhe.
    »Ich war im dritten Stock«, sagte ich. »Wohnung 37. Ich bin die Treppe da runtergekommen und dann nach rechts gegangen.«
    »Was haben Sie da oben gemacht?«
    »Mit einer Zeugin geredet.« Ich hielt inne und verbesserte mich. »Mit einer potenziellen Zeugin. Ich komme jetzt schon seit ein paar Wochen jeden Freitagabend her. Das ist die einzige Zeit, zu der ich ziemlich sicher sein kann, dass ich ihre Mutter nicht antreffe. Ich versuche, sie dazu zu bringen, in einer Strafsache auszusagen, und ihre Mutter hält nicht viel davon.«
    »Hatten Sie Erfolg?«, erkundigte sich Tulloch.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein«, gestand ich.
    Wir erreichten das Ende des Fußwegs und konnten den Parkplatz wieder sehen. Die Streifenpolizisten versuchten, die Leute zu überreden, nach Hause zu gehen, und hatten nicht viel Glück damit.
    »Heute Abend läuft wohl nicht viel im Fernsehen«, bemerkte Tulloch halblaut. »Was für eine Strafsache?«
    »Gruppenvergewaltigung«,
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