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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete
Autoren: Sharon Bolton
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da.«
    Wir blickten zum Parkplatz hinüber. Zwei Polizeihunde waren eingetroffen. Deutsche Schäferhunde, jeder mit einem eigenen Hundeführer.
    »Nicht unbedingt«, gab ich zu bedenken, bevor ich mich bremsen konnte. Beide wandten sich wieder zu mir um. »Wenn ihr die Kehle von hinten durchgeschnitten wurde, dann hat der Täter vermutlich nicht viel abbekommen. Das ganze Blut ist nach vorn gespritzt. Auf mein Auto.«
    »Und dann auf Sie«, stellte Joesbury fest. Sein Blick löste sich von meinem Gesicht und wanderte abwärts, dorthin, wo die Blutflecke selbst durch den Overall hindurch noch zu erkennen waren.
    »Sind wir hier fertig, Tully?«, fuhr er dann fort. »Du musst DC Flint wirklich aufs Revier bringen.«
    Einen Moment lang wirkte Tulloch unsicher. »Ich will mich bloß vergewissern, dass Neil …«
    »Anderson weiß genau, was er tut«, wehrte Joesbury ab. »Er lässt sechs Officers Zeugenaussagen aufnehmen, der Verkehr ist umgeleitet worden, und sie fangen an, von Haus zu Haus zu gehen und die Nachbarn zu befragen, sobald die Hunde fertig sind.«
    »Kannst du sie aufs Revier bringen?«, fragte Tulloch. »Ich möchte mich gründlich umsehen, wenn hier Ruhe einkehrt.«
    Joesbury sah aus, als sei er drauf und dran, Einspruch zu erheben, dann lächelte er sie an. Er hatte tolle Zähne. »Darf ich das Tully-Mobil fahren?«, fragte er.
    Kopfschüttelnd zog Tulloch den Reißverschluss ihres blauen Overalls auf und wühlte in ihrer Tasche. Dann reichte sie ihm mit finsterem Blick ihren Autoschlüssel. »Wenn du das Ding verbeulst, verbeule ich dich«, warnte sie.
    »Kommen Sie, Flint, bevor sie sich’s anders überlegt.« Joesbury hatte eine Hand an meinem Ellenbogen und lotste mich auf den silbernen Mercedes des DI zu.
    »Und sorg dafür, dass sie den Anzug anbehält«, rief Tulloch, als Joesbury mir die Beifahrertür aufhielt und ich einstieg. Das Innere des Wagens sah brandneu aus. Ich sank in den Ledersitz und schloss die Augen.

4
    Es war bereits nach neun Uhr, doch auf den Straßen war immer noch viel los, und wir kamen nicht besonders gut voran. Tullochs Bemerkung von wegen »herumlaufen und kramen« machte mir immer noch zu schaffen, also hielt ich die Augen geschlossen und überlegte, was ich hätte anders machen können. Joesbury schwieg.
    Nach zehn, vielleicht auch fünfzehn Minuten schaltete er die Stereoanlage an, und die gespenstischen Klänge von Clannad erfüllten den Wagen.
    »Oh, Mann, das soll wohl ein Witz sein«, knurrte er leise. »Ist noch irgendwas im Handschuhfach?«
    Ich öffnete die Augen und zog, noch immer mit Latexhandschuhen, die einzige CD hervor, die in dem kleinen Fach lag. »Mittelalterliche gregorianische Choräle«, las ich von der Hülle ab.
    Joesbury schüttelte den Kopf. »Wenn Sie Gelegenheit haben, mit ihr über ihren Musikgeschmack zu reden, dann nur zu«, meinte er. »Gestern Abend hat sie mir Westlife vorgespielt.«
    Er versank abermals in Schweigen, als wir die Old Kent Road erreichten. Gelegentlich, wenn das Licht der Straßenlaternen im rechten Winkel auf die Windschutzscheibe traf, sah ich sein Spiegelbild. Nichts Außergewöhnliches. Ungefähr Ende dreißig, kurzes braunes Haar. Er hatte sich ein paar Tage nicht rasiert. Sein Gesicht und die bloßen Unterarme waren sonnengebräunt. Seine Zähne, das war mir schon aufgefallen, waren ebenmäßig und sehr weiß.
    Weitere zehn Minuten vergingen, ohne dass einer von uns etwas sagte. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass er mich ebenfalls in der Windschutzscheibe betrachtete, so, wie er immer wieder den Kopf zur Seite neigte.
    Herumlaufen und kramen.
    »Wenn ich früher bei ihr gewesen wäre, wäre sie dann noch am Leben?«, fragte ich, als wir von der Lewisham High Street abbogen und auf den Parkplatz hinter dem Polizeirevier fuhren.
    »Das werden wir wohl nie erfahren«, antwortete Joesbury. Es gab keinen freien Stellplatz mehr, also hielt er direkt hinter einem grünen Audi und parkte diesen komplett zu.
    »Sie hat noch gelebt, ganz kurz bevor der Notarztwagen gekommen ist«, sagte ich. »Ich hätte irgendwas auf die Wunde drücken sollen, nicht wahr? Um die Blutung zu stoppen.«
    Falls ich mir irgendwelchen Trost von diesem Mann erhoffte, das hätte ich mir sparen können. »Ich bin Polizist, kein Rettungshelfer«, erwiderte er und machte den Motor aus. »Sieht aus, als würden Sie erwartet.«
    Der diensthabende Sergeant des Reviers, ein Beamter von der Spurensicherung und ein Arzt warteten auf uns. Zusammen gingen
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