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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete
Autoren: Sharon Bolton
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sind Sie allergisch gegen Sesamkörner …?«, fragte Joesbury mich. Das waren praktisch die ersten Worte aus seinem Mund, seit wir das Revier verlassen hatten. Wir saßen in einem kleinen chinesischen Restaurant, nicht weit von dort, wo ich wohne. Ich glaube, es war mir noch nie aufgefallen. Der Besitzer, ein schlanker Chinese Mitte fünfzig namens Trev, hatte Joesbury begrüßt wie einen alten Freund.
    »Wenn etwas lange genug still hält, esse ich es«, antwortete ich.
    Joesburys Augen wurden ein bisschen größer. Er und Trev wechselten einen Blick, führten eine kurze, halblaute Unterredung, und dann verschwand der Chinese. Joesbury nahm mir gegenüber Platz, und ich wartete mit einigem Interesse ab. Jetzt würde er mit mir reden müssen.
    Er nahm eine Gabel und fuhr mit den Zinken über eine Papierserviette, ehe er sich zurücklehnte und die vier schnurgeraden Linien bewunderte, die er gezogen hatte. Dann schaute er auf, begegnete meinem Blick und schaute wieder auf den Tisch hinab. Die Gabel fuhr abermals die Serviette hinunter, und es wurde geradezu schmerzhaft deutlich, dass DI Joesbury und ich nicht derselben Meinung waren, was das mit dem Reden betraf.
    »Wenn Sie nicht zum MIT gehören, was machen Sie dann?«, erkundigte ich mich. »Verkehr?«
    Wenn Sie bei der Polizei einen Kollegen beleidigen wollen, fragen Sie ihn, ob er für Verkehrsdelikte zuständig ist. Warum genau ich einen ranghöheren Officer beleidigte, dem ich gerade erst begegnet war, war natürlich eine gute Frage.
    »Ich bin beim SO10 «, antwortete er.
    Ich überlegte einen Moment. SO heißt Special Operations. Die verschiedenen Abteilungen waren nach ihren jeweiligen Funktionen durchnummeriert. SO1 schützte Personen des öffentlichen Lebens, SO14 die königliche Familie. » SO10 arbeitet undercover, nicht wahr?«, fragte ich.
    Er neigte den Kopf. »Heutzutage wird die Bezeichnung ›verdeckte Ermittlungen‹ bevorzugt.«
    »Dann arbeiten Sie bei Scotland Yard?«, fragte ich, ein wenig ermutigt, weil ich einen ganzen Satz aus ihm herausgeholt hatte.
    Ein weiteres kurzes Nicken. »Theoretisch schon.«
    Was sollte das denn heißen? Entweder arbeitet man irgendwo oder nicht.
    »Wie sind Sie dann heute Abend am Tatort gelandet?«
    Er seufzte, als frage er sich, wieso ich ihn mit diesem lästigen Konversationsgetue langweilte. »Ich bin rekonvaleszent«, sagte er. »Hab mir bei einer Schlägerei die Schulter ausgekugelt und hätte fast ein Auge verloren. Offiziell bin ich noch bis November nicht voll einsatzfähig, aber wie sowohl Sie als auch DI Tulloch so deutlich angemerkt haben, ich langweile mich.«
    Trev kam mit unseren Getränken. Er stellte eine Flasche südamerikanisches Bier vor jeden von uns. Ich war nicht gefragt worden, was ich gern hätte.
    »Ihr Gesichtsausdruck sagt mir, dass Sie keine Biertrinkerin sind«, bemerkte Joesbury. Er griff über den Tisch und goss den Inhalt meiner Flasche in ein Glas. »Das weiß ich auch so. Sie sind viel zu dünn für eine Biertrinkerin, aber das Zeug ist gut gegen den Schock.«
    Ich nahm mein Glas. Ich bin in der Tat keine Biertrinkerin, allerdings schien mir Alkohol in jeglicher Darreichungsform plötzlich genau das Richtige zu sein. Joesbury sah zu, wie ich fast ein Drittel des Glases leerte, bevor ich es absetzte und Luft holte.
    »Wie sind Sie zur Polizei gekommen?«, erkundigte er sich.
    »Durch ein frühkindliches Interesse an Serienmördern«, erwiderte ich. Das war die Wahrheit, obwohl ich diese Tatsache normalerweise nicht so unverblümt hinausposaune. Gewaltverbrechen und die, die sie begehen, haben mich fasziniert, seitdem ich mich erinnern kann, und das war es, was mich auf einem langen, verschlungenen Weg in den Polizeidienst geführt hatte.
    Joesbury zog eine Braue hoch.
    »Genau gesagt, sadistische, psychopathische Täter«, fuhr ich fort. »Sie wissen schon, die, die töten, um irgendein abwegiges sexuelles Verlangen zu befriedigen. Sutcliffe, West, Brady. Als Kind konnte ich gar nicht genug von denen kriegen.«
    Die Braue blieb oben, während mir klar wurde, dass mein Glas jetzt mehr als halb leer war und dass ich es wirklich ein bisschen langsamer angehen lassen musste.
    »Wissen Sie, wenn Sie sich langweilen, dann sollten Sie mal über Golf nachdenken«, sagte ich. »Viele Männer mittleren Alters finden, dass das ein recht netter Zeitvertreib ist.«
    Joesburys Lippen wurden schmal, doch er war nicht bereit, eine so billige Stichelei einer Antwort zu würdigen. Und ich musste
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