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Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Titel: Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
Autoren: E.L. Jannings
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bewacht wurde. Eingezwängt zwischen Stalagmiten aus Papier saßen sie sich an einem billigen Pressholzschreibtisch gegenüber. Stewart griff in einen der vielen Stapel, zog gezielt Toms Lebenslauf heraus und bewies, dass er das Chaos beherrschte.
    Tom hatte so gut wie keine Übung in Jobinterviews. Er erwartete ein Kreuzverhör auf Grundlage seines Bewerbungsschreibens. Aber Stewart legte es ungeöffnet vor sich auf den Schreibtisch, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und begann eine entspannte Unterhaltung unter Kollegen. Über das Geschäft mit Industriediamanten, dass Erfindungen heutzutage schnell in Geld umgesetzt werden mussten und die wachsende Konkurrenz aus Asien und Russland. Tom wurde ruhiger und seine Hemmungen gegenüber dem berühmten Wissenschaftler ließen nach. Stewart lenkte das Gespräch geschickt auf eine höhere Ebene. Bevor Tom sich versah, befanden sie sich in einem lebhaften wissenschaftlichen Diskurs über die Züchtung von isotopisch hochreinen Diamanten als superschnelle Wärmeleiter für elektronische Bauteile, in dessen Verlauf Tom dem Großmeister an entscheidenden Stellen widersprach und dafür auch gute Argumente lieferte. Nach zwei spannenden Stunden sahen sie beide ein, dass sie das Problem an diesem Nachmittag nicht lösen würden. Dann nahm Stewart die Brille ab, putzte sie mit einem Zipfel seiner Tweedjacke und sagte:
    „Cohen hat Sie ja unter recht ungewöhnlichen Umständen aufgefischt. Vielleicht sollten wir in Zukunft mehr auf Gartenpartys gehen und weniger Absolventenkongresse machen. Aber ich fürchte, das Experiment ist nicht zuverlässig wiederholbar. Jedenfalls nicht mit so einem Treffer. Können Sie sich vorstellen für uns zu arbeiten? Die Finanzabteilung hat die Assistentenstelle bewilligt, und wenn Sie nicht allzu teuer sind, könnten Sie am 1. Oktober anfangen. Ich könnte Sie weiß Gott gebrauchen.”
    Tom war überwältigt und brachte nicht viel mehr als ein atemloses „Ja. Aber ja doch, wahnsinnig gerne!” heraus.
    „Gut, dann zeige ich Ihnen jetzt Ihren Arbeitsplatz.”
    Der Weg zu Stewarts Labor erschien Tom wie ein wattierter Kanal, in dem die Erdanziehungskraft aufgehoben war. Das Gefühl der Schwerkraft setzte erst wieder ein, als Stewart einen Code an der Tastatur der Sicherheitstür eingab und sie zusammen eine hohe Industriehalle betraten. Im Unterschied zu Stewarts Büro herrschte hier die Ordnung und Sterilität eines Operationssaales. Reihe um Reihe standen die Messgeräte und Apparaturen zur Bestimmung der physikalischen Eigenschaften des Wundermaterials Diamant. Säurebäder, Mikronisierungsanlagen, Wärme- und Elektroleitgeräte, Laseranlagen,  Rasterelektronenmikroskope, Galvanikbäder und eine große Anzahl bizarrer Vorrichtungen, deren Zweck Tom auf den ersten Blick nur ansatzweise deuten konnte. Den Höhepunkt bildeten zwei enorme Hochdruck-Hochtemperaturpressen am Ende der Halle, in denen Steve und seine Leute immer neue, bessere Industriediamanten wachsen ließen, die im industriellen Einsatz so viel mehr leisteten als ihre Vorgänger aus der Natur. Hier, im Mekka der Festkörperphysik, würde für Tom schon in wenigen Wochen sein ganz persönliches neues Zeitalter anbrechen. Das Schicksal hatte ihm zwei Männer geschickt, die altmodische Dinge wie Erfahrung und Menschenkenntnis über das moderne Auswahlverfahren eines internationalen Konzerns gestellt hatten.
     
    *****
     
    Die Sonne war untergegangen, und das Haus lag kurz vor Einbruch der Nacht in einem diffusen Dämmerlicht. Einzelne Räume schwammen im Licht der indirekten Beleuchtung. Vielleicht war es dieses Licht, das die Dinge mehr verbarg, als dass es sie preisgab, welches Tom dazu verleitete, den zentralen Kaminraum, den jetzt eine bereits für den kommenden Tag gedeckte Dinnertafel dominierte, zu verlassen und durch das vollkommen stille Haus zu gehen. Sidestrand, an der felsigen Festlandküste des Long Island Sound, war Toms letzter Einsatz für Stardust Catering und gehörte einer steinalten Frau, die er bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen hatte. Sie gab ein Festessen zum hundertsten Geburtstag ihres verstorbenen deutschen Ehemanns. Tom hatte in seiner Cateringlaufbahn einige Exzentriker erlebt, so dass er nicht weiter über diesen ausgefallenen Anlass nachdachte. Allerdings hatte er niemals zuvor ein solch faszinierendes Haus gesehen. Sidestrand war als integraler Teil in einen bewaldeten Felsen am Meer gebaut. Kühn und schmucklos verschmolzen
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