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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer
Autoren: Arne Dahl
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Industriegebiets an einem abseits gelegenen Lagerhaus, das wie ein Flugzeugschuppen aussah.
    Äkesson hielt ein Stück entfernt und parkte den Wagen auf einem versteckten Stellplatz, auf dem ziemlich viele andere Autos standen. Mehr als üblich an einem Werktagabend um acht Uhr in einem Industriegebiet.
    Drei Gesichter wandten sich Arto Söderstedt zu.
    Er blätterte wie wild und zog eine Skizze hervor. »Den Haupteingang seht ihr ja«, sagte er und zeigte auf das größte Tor des Hangars. »Aber es scheint einen anderen Eingang zu geben. Auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich eine Treppe. Das ist der Notausgang. Durch den kommt man offenbar auf eine Galerie, die oben um den großen Lagerraum herumläuft. Aber der Notausgang ist natürlich verschlossen...«
    Bengt Äkesson grub in seiner Jackentasche und holte ein kleines Universalwerkzeug mit ein paar meißelähnlichen Instrumenten hervor. Er hielt es triumphierend in die Höhe.
    »Das funktioniert«, sagte Kerstin Holm. »Glaubt mir.«
    Als alle vier gleichzeitig ihre Dienstwaffe überprüften, kam sich Arto Söderstedt wie in einem Film von Quentin Tarantino vor.
    Nicht schlecht, wenn man Mister White wäre, dachte er und stieg aus dem Auto.
    Paul Hjelm konnte nicht genau sehen, was geschah, da sich alle Menschen um ihn herum erhoben hatten, außer dem großen Mann mit den neun Fingern. Sie gingen, nein, sie schritten in ihren luftigen Tuniken nach vorn und sammelten sich zu einem Kreis innerhalb der Kerzen. Auf einen Wink der nackten Christine Clöfwenhielm hin ging der anämische Mann zum hinteren Ende des Raums und verschwand in einer kleinen Tür. Während er fort war, wurde die Musik lauter, und die Menschen in dem Kreis ließen in einer Art von Wellenbewegung ihre orangefarbenen Mäntel fallen.
    Dann standen sie allesamt vor Rigmondos aufgerichtetem Penisknochen, und alle erhoben ihre Hände und gaben einen summenden Ton von sich, der sich allmählich mit der suggestiv pumpenden Musik vereinigte.
    Als der Anämische zurückkam, hielt er an der Hand ein Mädchen in einem orangefarbenen Umhang. Er übergab das
    Mädchen mit einer fast zärtlichen Geste an die Großmeisterin.
    Emily Flodberg sah sich fasziniert um. Sie befand sich in einem Meer nackter Körper.
    Der große Mann mit den neun Fingern beugte sich zu Paul Hjelm hinüber und sagte andächtig: »Das ist meine Tochter.«
    Hjelm starrte ihn an und versuchte zu verstehen. Vor allem aber war er mit der Szene da vorn beschäftigt.
    Christine führte Emily mit leichter Hand zum Mittelpunkt des Kreises. Die Schatten der Nackten fielen so, dass sie ungefähr die Form einer Uhr bildeten. Und mitten darin standen die beiden Frauengestalten, eine erwachsen und vital, die andere auf dem Weg ins unsichere, erschreckende, lockende Erwachsensein.
    Christine ließ ihre nackten Arme ganz leicht über Emilys orangefarbenen Mantel gleiten und sagte: »Es gibt eine Lebenskraft, Emily. Das ist die vitale Kraft in unserem Leben. Du bist die Frucht einer Todeskraft, und du hast dieses Erbe dein Leben lang bekämpft. Aber du warst im Begriff, ihr zu erliegen. Der Todeskraft, die die Lebenskraft von innen her ständig bedroht, wenn sie stark ist.«
    Dann befreite sie Emilys Körper von ihrem Mantel und ließ ihn auf den Boden sinken.
    Nach einem Augenblick der Spannung öffnete Christine wieder den Mund und sagte mit Donnerstimme: »Genug jetzt. Hier spricht die Polizei.«
    Alles vermischte sich vor Paul Hjelm. Alles wurde wahnsinnig. Christine Clöfwenhielm sprach mit der Stimme Kerstin Holms, und sie kam von oben, von der Decke, vom Himmel.
    Hjelm blickte nach links und sah Viggo Norlander auf sich zukommen, die Pistole fest auf den großen Mann mit den neun Fingern gerichtet, und Hjelm warf den Stuhl, an den er gefesselt war, mit aller Kraft um. Er fühlte, wie sein Kopf auf den Betonboden des Lagerraums schlug, und für einen Moment verschwamm alles vor seinen Augen. Als er wieder sehen konnte, erkannte er in einem seltsamen Winkel Viggo Norlander. Er hielt die Waffe weiter auf den großen Mann gerichtet, ohne den Blick auch nur für eine Sekunde von ihm abzuwenden.
    Arto Söderstedt und Bengt Äkesson kamen in den Kreis nackter Menschen gerannt, der sich unter chaotischem Geschrei auflöste, und Söderstedt zog Emily Flodberg an sich und trat ein paar Schritte aus dem Kreis heraus. Äkesson fasste Christine Clöfwenhielm am Arm.
    Aus den höheren Himmelssphären herab ertönte Kerstin Holms Chorsängeralt:
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