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Duncans Lady

Duncans Lady

Titel: Duncans Lady
Autoren: Emilie Richards
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den Rand geschubst. Der Felsen war ihm vorher nicht aufgefallen, aber jetzt wusste er sicher, wo er war. Zumindest hatte er sich nicht verlaufen.
    Er machte eine kurze Pause. Nebelschwaden hingen über der Lichtung. Diese war breit und lang, und im Sommer blühte es hier üppig wie auf einer Wiese. Es war eine überraschende Oase mit hohen Gräsern und Wildblumen. Jetzt war die Vegetation braun und schneebedeckt. Den Felsen hinter ihm entsprangen Quellen, und es gab unzählige Höhlen. Als Teenager hatte er sie alle erforscht. Mit sechzehn war er einmal kurz davor gewesen, in eine der Höhlen zu ziehen. Eines Tages hatte sein Vater, der schon unter normalen Umständen streng gewesen war, entdeckt, dass alle Tomatenpflanzen im Gewächshaus des Hotels eingegangen waren, weil Duncan vergessen hatte, sie zu gießen.
    Während er in die Ferne starrte und sich an den Mann erinnerte, den er heute beerdigt hatte, fiel ihm aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf. Er kniff die Augen zusammen und suchte nach dem Ursprung. Nicht weit entfernt wiegten sich ein paar Ebereschen im aufkommenden Wind. Genau unterhalb davon wuchsen dichte Haselnusssträucher und Buchenschößlinge, sie sich unruhig hin und her bewegten. Duncan starrte in die Dunkelheit hinter den tanzenden Silhouetten, aber er konnte nichts weiter erkennen.
    Er hatte sich bereits wieder auf den Weg den Pfad entlang gemacht, als ein durchdringendes Pfeifen ihn stehen bleiben ließ. Erneut drehte er sich zu den Bäumen um, aber das pfeifende Geräusch war nichts anderes als der Wind gewesen. Er schien ihn zu warnen, dass es rasch Nacht wurde und er sich beeilen sollte, um den Bus zu erreichen. Duncan wollte gerade weitergehen, als erneut etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Er drehte sich wieder um, um einen letzten Blick zurück zu werfen. Es gab eine wahrnehmbare Veränderung in den Elementen, die ihn umgaben. Das Pfeifen wurde zu einem spitzen Schrei, fast zu einem Heulen, und der Wind, den er für das Pfeifen verantwortlich gemacht hatte, erstarb vollkommen. Selbst die Bäume standen vollkommen still.
    Aber hinter ihnen bewegte sich etwas.
    Er trat einen Schritt vor und spähte in die Dunkelheit. „Hallo? Ist da jemand?“, rief er. Niemand antwortete.
    „Hallo?“, rief er noch einmal etwas lauter.
    Es gab Tiere hier in den Bergen. Schafe und gelegentlich Füchse oder wilde Hunde. Aber Duncan erwartete nicht, irgendwelche Vierbeiner zu sehen. Was immer er aus den Augenwinkeln gesehen hatte, war größer gewesen und lief auf zwei Beinen. Entweder hatte er sich das eingebildet, oder hier draußen war tatsächlich noch ein anderer Mensch.
    Er zögerte. Wenn jemand hier war, wollte dieser Jemand offensichtlich allein gelassen werden, da er oder sie nicht antwortete. Vielleicht war es ein Bauer von einem der umliegenden Höfe, der nach einem verirrten Schaf suchte. Duncan war sich nicht sicher, ob er das Recht hatte, diesen Pfad zu benutzen, der vermutlich über Privatland führte. Sein Wissen über das schottische Recht war ebenso nebelhaft wie die Wiese. Aber egal, ob er das Recht hatte, hier zu sein oder nicht, er hatte nicht das Recht, den Besitzer des Landes zu stören.
    Obwohl er sich selbst überzeugt hatte, dass er gehen musste, rührte er sich nicht von der Stelle. Wie sein Vater ließ er sich in seinem Handeln nie von seinen Gefühlen leiten, doch irgendetwas ließ ihn angewurzelt stehen bleiben. Verärgert über sich selbst rief er noch einmal: „Hallo?“
    Niemand antwortete, zumindest nicht auf eine Weise, die er erwartet hätte. Er nahm keine Bewegung mehr wahr, aber ein Lichtstrahl beleuchtete jene Stelle, wo er meinte, jemanden gesehen zu haben. Für den Mond war es noch zu früh, und für die Sonne zu spät. Neugierig trat er näher. Das Licht war genau auf eine Stelle gerichtet und sehr intensiv. Er hatte so etwas noch nie gesehen, aber er empfand keine Furcht. Das Tageslicht schwand dahin, und der Nebel wurde dichter. In der Kombination aus Zwielicht, Nebel und Luftströmungen von den Bergen konnte es leicht zu allen möglichen Irrlichtern kommen. Er war gerade Zeuge eines solchen Schauspiels.
    Er wog sein Bedürfnis, zurück zur Straße zu gehen, gegen seine Neugier ab, die Sache noch ein wenig genauer zu untersuchen. Achselzuckend setzte er sich schließlich in Bewegung und überquerte die Lichtung. Die Bäume waren weiter entfernt, als er gedacht hatte, und das Licht wurde immer heller. Als er näher kam, stellte er fest, dass es einen seltsamen
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