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Duncans Lady

Duncans Lady

Titel: Duncans Lady
Autoren: Emilie Richards
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einen Poeten. Weit und breit war er als ein Mann bekannt, der mehr Herz als Verstand besaß.
    Die Augen immer noch geschlossen, sah Mara, wie Guiser es aufgab, die Straße zu beobachten. Er drehte sich um und erklomm den Berg. Sein Futter wartete.
    Mara wollte die letzten paar Minuten vergessen. Sie wollte, dass ihr Leben genau so weiterging wie bisher.
    Doch sie wusste es besser, und so hoffte sie nicht wirklich darauf.
    Duncan Sinclair hatte vergessen, wie rasch im Winter in den Highlands die Nacht hereinbrach. Im Moment fühlte er sich, als sei sein Herz zu Eis gefroren, und er war fast erstaunt, als er feststellte, dass auch außerhalb von ihm Winter war.
    Seit seinem achten Lebensjahr hatte er nicht mehr in Schottland gelebt. Seine Jugend hatte er in New York verbracht, wo er seinen schottischen Akzent, seine Wurzeln und seine Unschuld verloren hatte. Als Junge war er jeden Sommer für ein paar Wochen zurückgekehrt, um Donald Sinclair zu besuchen. Heute hatte er seinen Vater auf dem Friedhof neben der Dorfkirche beerdigt. Es war mehr als zwanzig Jahre her, seit Duncan die Highlands im März gesehen hatte.
    Als der Himmel sich verdunkelte, bildete sein Atem kleine Wölkchen, und seine Fingerspitzen in den Handschuhen wurden taub. Er schob die Hände tiefer in die Taschen und wanderte weiter. Er war sich nicht sicher, wann ihm klar geworden war, dass er sich besser auf den Rückweg zum Minibus machte. Er war den schmalen Pfad zu dem kleinen See in den Bergen hinuntergestiegen, an dem er mit seinen Freunden Andrew MacDougall und Iain Ross gezeltet hatte, doch von einem Moment auf den anderen war er umgekehrt, ohne sein Ziel zu kennen.
    Er war kein Mann, der so einfach aufgab. Es gab nur wenige Schlachten, die er nicht bis zum Ende durchgefochten hatte und nur wenige Ziele, die er nicht erreicht hatte. Mit achtzehn war er von zu Hause fortgegangen, hatte das College geschafft und sofort danach eine Werbeagentur gegründet. Zu seinen besten Zeiten hatte er einige der begehrtesten Kunden in ganz Südkalifornien betreut. Nebenbei hatte er um die Frau geworben und sie schließlich gewonnen, von der er dachte, er könne ohne sie nicht leben.
    Dann, im letzten Jahr, mit neunundzwanzig, hatte er alles aufgegeben, um die wichtigsten Ziele seines Lebens zu erreichen: die Scheidung und das alleinige Sorgerecht für seine sechsjährige Tochter April.
    Warum also war er heute umgekehrt? Er vermutete, dass der Gedanke an April ihn beeinflusst hatte, auch wenn sie tausend Meilen entfernt in New York bei seiner Mutter und seiner Schwester Fiona war. Er konnte sich nicht länger den Luxus gestatten, Risiken einzugehen. Nicht einmal so ein kleines, wie allein im Zwielicht einen Bergpfad entlangzugehen. Duncan war das einzig Beständige in Aprils Leben.
    Er hielt inne, um Luft zu holen. Um ihn herum wurde es rasch dunkel. Eine feuchte Kälte kroch durch seine Skijacke und die wollene Unterhose.
    Selbst seine Füße wurden kalt, obwohl sie in dicken Socken und wasserfesten Lederstiefeln steckten.
    Wie weit war er gekommen? Er wusste es nicht. Seine Freunde Iain und Andrew hatten ihn gewarnt, vorsichtig zu sein. Sie hatten ihn daran erinnert, dass die Entfernungen in den Bergen trügerisch sein konnten, und dass er sich wahrscheinlich an den größten Teil der Ausflüge aus ihrer Kindheit nicht mehr erinnerte. Mit einem Achselzucken hatte er ihre Warnungen abgetan, so wie er auch die Beileidsbekundungen der Dorfbewohner nach der Beerdigung mit unbewegter Miene hinter sich gebracht hatte. Ratschläge waren ihm ebenso zuwider wie Rührseligkeit. Es hatte ihm gar nicht gefallen, wie sehr ihn die Herzlichkeit von beidem heute innerlich berührt hatte.
    Er ging den Pfad zurück und beschleunigte seine Schritte, während er in der immer tiefer werdenden Dunkelheit nach bekannten Landmarken Ausschau hielt. Er umrundete einen Hügel und erwartete fast, den alten Minibus des Hotels an der schmalen Straße zu sehen. Doch um ihn herum erstreckte sich nichts als die weite Hügellandschaft, durchzogen von dem kaum erkennbaren Pfad.
    Hinter der nächsten Kurve erhob sich ein Felsbrocken auf einer Lichtung. Die Form war ungewöhnlich, denn an der Spitze war er breiter als am Fuß. Als er den Fels anstarrte, stiegen Erinnerungen in ihm auf, wie er als Junge darauf herumgeklettert war. Er, Andrew und Iain hatten hier gespielt. Sie waren die Könige der Berge gewesen und hatten den mit Flechten übersäten Brocken erklommen und sich gegenseitig über
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