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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Matthies
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Würde. Aber da ihn ohnehin niemand versteht … Außer mir natürlich …
    »Hey Störti«, rufe ich, »was machst’n so’n langes Gesicht?«
    »Da!« Hansen blickt sich hektisch um. »Da war es schon wieder!«
    Störtebeker streckt seinen Kopf durch die Luke: »Einfältiger Witzbold!« Damit bin ich gemeint.
    »Da haben Sie es!« Hansen blickt auf seine Schuhe, als erwarte er, dort ein halbes Dutzend Marder herumwuseln zu sehen. »Kein Wunder, dass er nervös ist.«
    Phil drückt unauffällig den Deckel auf seine Tasche. Ich soll meine Klappe halten. Hab’s verstanden, Partner. Aber irgendwie sitzt mir heute etwas im Nacken. Frühlingsanfang. »Marder piep einmal!«, rufe ich.
    »Das gibt’s doch nicht!«, empört sich Hansen. »Ist das etwa Ihr Handy-Klingelton?«
    Phil zieht sein Handy aus der speziell dafür maßgeschneiderten Innentasche seines Strampelanzugs und zeigt es vor, um seine Unschuld zu beteuern. An seiner Stimme erkenne ich, dass er Mühe hat, sich das Lachen zu verkneifen: »Also ich habe ›The Lion Sleeps Tonight‹ als Klingelton.«
    The Lion Sleeps Tonight? Damit dürfte der Beweis erbracht sein, denke ich: Mein Partner hat seine Eier tatsächlich in Südafrika gelassen.
    Als Nächstes blickt Phil auf seine Mir-gehört-die-Welt-Uhr: »Sollten wir nicht langsam, Herr Hansen?«
    »Oh, natürlich! Komm, Großer, dein Rennen wartet.«
    Gemeinsam mit Hansen und Störtebeker vertreten wir uns noch eine Weile die Beine auf einem eingezäunten Rasenstück, dann wird gesattelt, gesalbt, gerieben, besprochen, frisiert … mal ehrlich: Für einen, der derart verhätschelt wird wie Störtebeker, ist es schwer, nicht irgendwann einen an der Waffel zu haben. Schließlich kommt der Jockey hinzu, Ha-Noi. Ein Asiate, der zwar nur halb so groß ist wie mein Partner und nicht schwerer als ein Luftpost-Briefumschlag, dessen Glitzertrikot dennoch, wie im Programmheft angekündigt, exakt die Farbe von Phils Anzug hat. Würde Phil sich den Jockey unter den Arm klemmen, er wäre praktisch nicht zu sehen.
    In dem Moment, als Ha-Noi auftaucht und Störtebeker am Führstrick nimmt, scheint unser Job vorbei zu sein. Zeit, sich zurückzuziehen, sagt Hansen. Reiter und Pferd brauchen einen Moment völliger Ungestörtheit, um sich ganz aufeinander einlassen zu können. O Mann. Mein Partner und der Gestütsbesitzer verabschieden sich vorläufig voneinander, und Phil stromert zum Führring hinüber, wo alle am Rennen teilnehmenden Pferde im Kreis geführt und der Menge präsentiert werden.
    Stardust, das Pferd mit dem Jockey im schwarz-weißen Trikot, das ich mir für unsere Wette ausgeguckt habe, gefällt mir außerordentlich. Sein Fell hat dieselbe Farbe wie meins: bräunlich-gräulich, ohne jeden Schnickschnack wie schicke weiße Flecken auf der Stirn oder farblich abgesetzte Hufe. Phil ist ebenfalls ganz in Anspruch genommen, um nicht zu sagen: entrückt. Das hat allerdings nichts mit dem Pferd zu tun, wie mir bei der zweiten Runde auffällt, und auch nichts mit dem Jockey, sondern mit der Frau, die es am Führstrick hält. Sie hat ihre glänzenden, kastanienbraunen Haare zu einem wippenden Pferdeschwanz gebunden, inklusive der vorschriftsmäßig widerspenstigen Strähne, die ihr auf die Schulter fällt und ihr zartes Schlüsselbein betont. Dazu gibt es naturbelassene Knautschlippen sowie eine von Meisterhand ziselierte Sorgenfalte zwischen den türkisblauen Augen, die sie fragil wirken lässt, aber leise und deutlich ein Signal aussendet: Beschütze mich! Ach ja, nicht zu vergessen ihr Hinterteil. Das macht mit ihrer Jeans genau das, wovon Männer wollen, dass Frauenhinterteile es mit ihrer Jeans machen: sie so ausfüllen, dass der Stoff straff gespannt ist, gleichzeitig aber den Anschein erweckt, als sei es genau das, was der Stoff am liebsten machen möchte. Menschen. Irgendwie albern.
    »Müssen wir nicht langsam …?«, frage ich vorsichtig.
    »Hm?«
    »Unsere Wette?«
    Phil lenkt seinen Blick widerwillig von den kastanienbraunen Haaren der Frau auf das zur Tarnung vor natürlichen Feinden viel besser geeignete Fell des Pferdes. »Bist du sicher, dass ich mein Geld auf diesen Klepper setzen soll?«
    »Jepp«, antworte ich, und dann, als hätte ich eine Dauerkarte für die Südkurve: »Der AC Turin ist nämlich meine Lieblingsmannschaft.«
    »Wenn das kein Grund ist …«
    Mit mir in der Tasche schlendert Phil über den Kies zu dem hinüber, was sie das Wett-Gastro-Center nennen, schiebt einen ziemlich teuer
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