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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Matthies
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sich an den ersten wärmenden Sonnenstrahlen, und kreischende Kinder purzeln in einer Hüpfburg herum. Phil blickt auf seine Uhr, denkt einen klitzekleinen wehmütigen Moment lang an Piroschka und die Villa mit dem Pool, stellt fest, dass wir noch etwas Zeit haben, lässt sich eine Currywurst mit Pommes rot-weiß geben und besorgt sich ein Programmheft. Damit schlendert er über das Gelände und setzt sich auf eine Bank abseits des Trubels. Er stellt die Tasche neben sich ab und schlägt den Deckel zurück. Obwohl mir der Geruch seiner Currywurst die Nüstern wie mit Uhu verklebt, rieche ich, dass die Pferde ganz in der Nähe sein müssen.
    »Kannst dein feines Näschen herausstrecken«, bemerkt Phil.
    Was ich mir natürlich nicht zweimal sagen lasse.
    Durch einige Bäume hindurch sehe ich eine Reihe mit Pferdeboxen, die allerdings leer sind. Davor gibt es einen gepflasterten Rundweg, auf dem ich gerne mit Rufus ein paar ferngelenkte Autos um die Wette fahren lassen würde. Wirkt alles relativ verschlafen.
    Phil spießt ein von Sauce triefendes Wurststück auf seine Pommesgabel und lässt es in seinem Mund verschwinden. »Das ist der Führring«, klärt er mich auf. »Vor jedem Rennen werden hier die Pferde präsentiert, damit die Zuschauer sich überlegen können, auf welches sie setzen wollen.« Er bemerkt, wie ich die Nase rümpfe, als er das nächste Stück aufspießt, und hält die Gabel in meine Richtung. »Willst du?«
    Ich wende den Kopf ab und blicke zur großen Tribüne hinüber. »Das ist Aas. So etwas überlässt man den Geiern.«
    Er betrachtet das Wurststück, dreht es hin und her und steckt es genussvoll in den Mund. »Du als alter Wüstenfachmann musst es ja wissen«, kaut er seine Worte hervor.
    »So etwas weiß man eben.«
    Er schiebt ein paar Pommes nach, deutet mit der Gabel auf das Programmheft, das er über seine Oberschenkel gebreitet hat, und erklärt mir, dass dort die Pferde der jeweiligen Rennen beschrieben sind. Ob ich auch Lust hätte, ein paar Wetten zu platzieren? Nachher werden wir keine Zeit haben, uns die einzelnen Pferde anzusehen, also müssen wir jetzt das Programmheft studieren. Ich kann nicht lesen. Was irgendwie selbsterklärend ist, schließlich bin ich ein Erdmännchen. Der Einzige, dem das nicht sofort einleuchtet, ist mein Bruder Rufus. Weil er nämlich lesen kann. Aber er ist das wahrscheinlich einzige Erdmännchen auf diesem Planeten, das lesen kann. Und wird es bleiben. So wie Phil der einzige Mensch zu sein scheint, der Erdmännisch versteht.
    Ich suche mir also meine Favoriten nach den Farben der Trikots aus, die zu jedem Pferd in den Informationskästchen abgebildet sind. Bei den Pferden im siebten Rennen ist ein Trikot dabei, das wie das vom AC Turin aussieht – längs gestreift, schwarz-weiß, klassisch, cool. Ich tippe mit meiner Klaue darauf: »Der da.«
    Phil hält das Programm so, dass er das Kleingedruckte lesen kann. Demnächst wird er eine Brille brauchen. »›Stardust‹?«, fragt er ungläubig. »Bist du sicher? Ist ein alter Klepper, der seit Jahren nichts mehr gewonnen hat. Völliger Außenseiter.«
    »Bin ich auch«, erwidere ich.
    »Auf dich würde ich bei einem Pferderennen auch keinen Cent wetten.«
    »Verstehe: Mein Partner versucht, witzig zu sein.« Ich studiere noch einmal die Doppelseite. »Also von mir aus setze, auf wen du willst. Solange es nicht der da ist.« Bei »der da« deute ich auf ein einfarbiges, babyblaues Trikot, das verdächtig so aussieht, als hätte Phil noch mehr von seinem Anzugstoff übrig gehabt.
    Phil studiert das dazugehörige Infokästchen. »Da wird Piet Hansen aber traurig sein.«
    »Wer bitte ist Piet Hansen?«
    »Unser Auftraggeber.«
    »Dann ist das da Störtebeker?«
    »Gut kombiniert, Erdmann.« Phil wischt sich die Finger an einer Serviette ab und versenkt das mit Ketchup verschmierte Pappschälchen in einem Mülleimer. »Apropos: Wir sollten langsam mal zu den Ställen rüber …«
    »Nur, damit hier keine Informationen verlorengehen«, sage ich. »Unser Auftraggeber heißt Piet Hansen, hat ein Pferd namens Störtebeker, und sein Jockey trägt einen babyblauen Strampelanzug?«
    »Ist nicht
unser
Auftraggeber.« Phil drückt meinen Kopf vorsichtig in die Tasche zurück, schließt den Deckel und steht auf. »Ist
meiner

     
    Wir finden Piet Hansen auf dem Parkplatz für die Teilnehmer jenseits der Ställe, am äußersten Rand des Geländes. Korrektur: Das Wort »finden« setzt voraus, dass man etwas sucht.
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