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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Matthies
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kann, falte ich meine Vorderpfoten unauffällig vor dem Bauch. »Wenn es nötig wäre, um dich zu deinem Glück zu zwingen, dann würde ich dich auch verklagen. In der Tat. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass du doch noch einsichtig bist.«
    Phil schüttelt den Kopf. »Ray, ich bin gerade echt knapp bei Kasse und kann es mir leider nicht leisten, tausend Mäuse zu verjubeln.«
    »Okay. Dann machen wir es doch folgendermaßen: Wenn du verlierst, dann sorge ich höchstpersönlich dafür, dass du das Geld zurückbekommst …«
    »Und wie willst du das anstellen?«, unterbricht Phil.
    »Das lass meine Sorge sein. Zur Not muss ich Rufus bitten, dass wir Teile von unserem Equipment verkaufen oder so.«
    »Und wenn ich wider Erwarten doch gewinne, dann gebe ich dir die Hälfte?«
    »Falsch. Wenn du gewinnst, dann nimmst du das Geld und setzt dich in den nächsten Flieger nach Afrika.«
    Phil sieht mich an. Es hat ihm die Sprache verschlagen.
    Ich muss grinsen. »Du willst sie wiedersehen, aber du weißt nicht, ob das richtig ist. Dann lass doch einfach dein Glück beim Spiel entscheiden.«
    Phil steht noch einen Moment unbeweglich da, dann lösen sich seine Arme vor der Brust, und er beginnt, langsam zu nicken. »Okay. Sollen die Götter entscheiden. Ich kaufe einen Wettschein. Und zwar jetzt sofort.«
    Er dreht sich um, will gehen und stößt im gleichen Moment mit einer hübsch geschminkten und elegant angezogenen Dame zusammen. Ich husche unter die Tribüne und sehe erst dann, dass es sich in Wirklichkeit um Piet Hansen handelt. Er trägt eine weite, hellblaue Leinenhose und ein dazu passendes fließendes Hemd. Um den Hals hat er locker eine dunkelrotes Tuch mit Hufeisen geknotet, das mit der Farbe seines Lippenstiftes harmoniert.
    »Habe ich doch richtig gesehen«, sagt er, und sein Erdbeermund biegt sich zu einem Lächeln. »Schön, dass ich dich hier treffe.«
    »Piet! Du siehst … gut aus«, sagt Phil, der wohl nicht weiß, was er sonst sagen soll.
    »Danke«, erwidert Piet, sichtlich geschmeichelt. »Ich habe nach der Flucht dieses schrecklichen Marbati beschlossen, reinen Tisch zu machen. Kein Versteckspiel mehr. Ich bin, wer ich bin. Und das ist gut so.«
    »Das freut mich«, sagt Phil. »Das freut mich sogar sehr.«
    »Und mich erst. Es war viel einfacher, als ich gedacht habe. Selbst Mutter hat die Nachricht unerwartet entspannt aufgenommen. Sie sagt, eigentlich hat sie es schon immer geahnt.« Er zupft lächelnd sein Halstuch zurecht. »Ich möchte mich bei dir bedanken, Phil. Hast du vielleicht Zeit auf ein Gläschen Champagner …?«
    »Ich wollte gerade eine Wette platzieren«, sagt Phil. »Aber danach können wir gern auf dein neues Leben trinken.«
    Piet freut sich. »Das ist schön. Ich wollte dir nämlich noch jemanden vorstellen. Er ist Stallknecht.« Piet beugt sich vertraulich zu Phil. »Und ich glaube, mit ihm und mir, das könnte was werden.«
    Während Phil und Piet plaudernd davonspazieren, arbeite ich mich unter der Tribüne zu jenem Platz vor, der
mein
Leben entscheidend verändert hat. Dieser Platz ist da, wo Elsa und Barney an jenem Tag standen, als Stardust sein letztes Rennen lief. Ich weiß selbst nicht, was ich dort suche. Vielleicht die Gewissheit, dass ich Elsa nie wiedersehen werde?
    Die kleine Tribüne unter der Tribüne ist spärlich eingerichtet. Eine umgedrehte Konservendose dient als Stehtisch. Weiter vorn kann man den Zieleinlauf sehen. Hier stand Elsa, Seite an Seite mit einer Beutelratte namens Barney. Ich spüre, dass sich mir allein bei dem Gedanken daran der Hals zuschnürt.
    Mein Blick wandert über den Boden. Ich erstarre. Ein leerer Hustensaftmessbecher. Ich glaube, es ist jener, den Elsa damals in ihren zarten Pfoten hielt. Vorsichtig hebe ich ihn auf und schnuppere daran. Ein betörender Duft: Champagner, vermischt mit einer letzten, flüchtigen Note des flauschigsten Fells der Welt. Fühlt sich an, als würde die Erde beben und ich gleich den Boden unter den Füßen verlieren.
    Dann verstehe ich, dass die Erde tatsächlich bebt. Es fühlt sich an wie das leise Zittern in unserem Bau, wenn am Bahnhof Zoo nachts ein ICE durchbrettert. Allerdings kommt die Erschütterung hier immer näher. Und näher. Und näher.
    Dann donnern Pferdehufe an mir vorbei. Und erst jetzt dringt die aufgeregte Stimme des Stadionsprechers in mein Bewusstsein: »… ist eine Sensation, meine Damen und Herren. Mit sagenhaften drei Längen Vorsprung läuft hier die blutjunge Stute Angel
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