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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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zwei Finger«, fügte ich verlegen hinzu.
    Sie legte die Hände vors Gesicht. »Das wird mir alles zu viel. Warum hast du so eine schrecklich dumme Sache gemacht nach dem, was dein Vater dir gesagt hat?«
    »Wir hatten Angst, dass Konrad sterben würde«, erklärte Elizabeth und legte ihre Hand auf Mutters Schulter.
    »Aber er ist doch wieder gesund!«, sagte Mutter. »All das war unnötig.«
    »Er ist wieder gesund«, sagte ich sanft, »weil wir ihm letzte Nacht das Elixier gegeben haben.«
    Mutter hörte auf zu weinen und blickte mich entsetzt an. »Wann?«
    »Um Mitternacht, als alle geschlafen haben. Da haben wir es ihm in den Mund geträufelt.«
    »Und Maria hat euch nicht daran gehindert?«, fragte sie.
    »Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen«, log ich.
    »Aber es hätte auch Gift sein können!«
    »Wie konnte es Gift sein und dabei solch eine gewaltige Verbesserung bewirken?« Ich zeigte auf Konrad, der mit großen Augen zuhörte.
    »Ich habe dein Knochenmark getrunken?«, fragte er.
    »Um ein Haar hätte Polidori es getrunken.«
    Konrad setzte sich aufrecht hin. Ich blickte von Henry zu Elizabeth und dann zu Mutter. Ich hatte nicht gewollt, dass der Name des Alchemisten so rasch erwähnt wurde.
    »Julius Polidori hat etwas damit zu tun?«, fragte Mutter.
    »Er hat uns geholfen, das Rezept zu übersetzen«, antwortete ich.
    »Und er hat dir die Finger abgehackt?«, schrie sie.
    »Das war ein Teil des Rezepts. Ich hab sie freiwillig gegeben. Aber er hat sich als Schurke herausgestellt. Er wollte das Elixier für sich selbst haben.«
    »Wir hatten eine ziemliche Rauferei, bis wir es zurückbekamen«, erzählte Henry. »Und dann hat er seinen Luchs auf uns gehetzt.«
    Mutter wedelte mit der Hand, um uns zum Schweigen zu bringen, und setzte sich hin.
    »Ihr müsst alles der Reihe nach erzählen«, sagte sie dann. »Und lasst nichts aus.«
    Mutter schrieb auf der Stelle eine Nachricht an den obersten Richter von Genf und schickte einen der Stallburschen, der sie sofort überbringen sollte. Sie wollte, dass Polidori auf der Stelle festgenommen würde.
    Sie fand zwei Burschen, die segeln konnten, und ließ sie das Fischerboot seinen Besitzern im Bootshafen zurückbringen. Danach sollten sie eine Nachricht bei Herrn Clerval abgeben, dass Henry noch ein paar Nächte bei uns bleiben würde.
    Sie stellte drei Diener als Wachen auf, einen am Haupttor und zwei auf den Befestigungsmauern. Sie befürchtete, Polidori würde uns weiteren Schaden zufügen wollen, und sie verlangte, dass wir alle im Schloss blieben, bis er gefasst war.
    Ich glaubte nicht, dass solche drastischen Vorsichtsmaßnahmen notwendig waren, denn Polidori kannte unsere Herkunft nicht. Wie sollte er uns dann finden?
    Mutter war eine starke Frau und immer energisch gewesen, doch ich hatte sie noch nie so konzentriert und entschlossen erlebt. Es war ziemlich erschreckend. Und sie sprach wenig, als wüsste sie nicht so genau, was sie mit uns machen sollte.
    Wir gingen ihr aus dem Weg, besuchten Konrad und leisteten ihm Gesellschaft, wenn er nicht gerade schlief.
    Gegen Abend kam ein Bote mit der Nachricht, dass Polidori verschwunden sei.
    Nachdem der Richter den Brief meiner Mutter erhalten hatte, wurden sofort ein Gerichtsdiener und zwei Wachen zur Wollsteingasse geschickt, die aber nur die Wohnung und das darunter liegende Labor von Flammen zerstört vorfanden. In der verkohlten Ruine waren keine Anzeichen einer Leiche zu finden gewesen.
    »Mit Sicherheit ist er aus der Stadt geflohen«, sagte Mutter.
    »Er muss sich gleich am Morgen eine Kutsche gemietet haben und losgefahren sein«, meinte Elizabeth.
    Mutter las weiter in dem Brief. »Sie haben bereits Männer auf den schnellsten Pferden ausgeschickt, die ihn einzuholen versuchen.«
    »Wenn er in einer Kutsche sitzt«, sagte ich, »kriegen sie ihn. Die Straßen in den Bergen sind steil und haben es in sich.«
    Doch diese Nachricht beunruhigte mich. Mir gefiel es nicht, dass Polidori immer noch frei war und uns, falls er es wollte, ausfindig machen könnte.
    Spät am nächsten Tag kam Vater mit Dr. Murnau nach Hause zurück. Die beiden gingen sofort in Konrads Zimmer, wo der Doktor unverzüglich fortfuhr, meinen Bruder zu untersuchen.
    Elizabeth, Henry und ich warteten in der Bibliothek und blätterten in Büchern, jedoch ohne zu lesen.
    »Was wird Vater tun, wenn Mutter es ihm erzählt?«, fragte Elizabeth mich.
    »Na ja, die Verliese der Frankensteins haben dann vielleicht wieder Insassen.«
    »Jetzt
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