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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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»Diese ganze Geschichte mit Elizabeth. Ich …«
    »Victor, du brauchst nichts zu sagen.«
    »Ich war ein totaler Mistkerl.«
    Er lachte leise. »Also, ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben schon mal wütender gewesen bin. Das ist schon eine ziemliche Begabung von dir.«
    »Es war gut, dass du ohnmächtig geworden bist«, sagte ich. »Sonst hättest du mich wahrscheinlich umgebracht. Diesen Blick hab ich noch nie in deinen Augen gesehen. Aber du verzeihst mir doch, oder?«
    Er lächelte, und ich wusste, die Antwort war Ja. »Und übrigens«, sagte er, »ich hab mich nie für besser gehalten als dich.«
    Ich schnaubte. »Außer in Griechisch und Latein und beim Fechten und …«
    »Das meine ich nicht. Ich meine als Person.«
    Ich ließ mir mit der Antwort etwas Zeit. »Also, ich weiß nicht, ob ich dir das glaube, aber es ist sehr nett von dir, dass du das sagst. Danke.«
    »Du bist unmöglich«, meinte er und schüttelte den Kopf.
    »Ah, das ist schon besser«, sagte ich.
    »Stellst du dir immer noch vor, dass du eine Reise ins Weltall machst?«, fragte er und blickte hinauf zu den ersten Sternen.
    »Auf jeden Fall«, antwortete ich. »Und du? Willst du immer noch in die Neue Welt?«
    »Ja, wenn du mitkommst.«
    »Nur wir beide?«, fragte ich.
    »Nur wir beide.«
    »Das machen wir, sobald Vater uns die Erlaubnis dazu gibt«, sagte ich.
    Konrad lächelte. »In Anbetracht der letzten Ereignisse wird das wohl erst in ein paar Jahrzehnten der Fall sein.«
    Dann sprachen wir mit großer Begeisterung über das Land jenseits des Ozeans und welche Abenteuer uns da wohl begegnen würden.
    Es war, als wären wir wieder klein und lägen mit dem großen Atlas vor uns auf dem Fußboden in der Bibliothek. Wir sprachen davon, wie wir dann, wenn wir die entfernteste Küste der Neuen Welt erreicht hätten, über den Pazifik in den Orient weiterreisen würden. Ich liebte die Vorstellung, mit meinem Bruder nach Westen zu ziehen, immer weiter nach Westen, der Sonne nach.

17. Kapitel
Die Eisgruft
    Er starb im Schlaf.
    Ich verstand nicht, wie das passieren konnte. Es war ihm immer besser gegangen. Er war immer kräftiger geworden. Wie konnte er dann von uns gehen?
    Mutter weinte und weinte – Vater auch.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwelche Eltern mehr gelitten haben als sie.
    Sie glaubten nicht an den Himmel. Sie glaubten an kein Danach. Sie wussten, dass sie ihren Sohn nie wiedersehen würden.
    Elizabeth weinte und betete für Konrads Seele.
    »Wie kannst du beten?«, fragte ich sie kalt.
    Sie blickte mich an, das Gesicht bleich und tränenüberströmt.
    »Wir haben zu deinem Gott gebetet, als wir auf dem Boot mit dem Elixier nach Hause gesegelt sind«, erinnerte ich sie. »Du hast gesagt … du hast gesagt, Er würde darauf hören und Konrad gesund werden lassen. Warum hat Er das nicht getan?«
    »Er hat uns gehört. Aber manchmal sagt Er Nein.«
    »Ihn gibt es doch überhaupt nicht«, sagte ich brutal.
    Sie schüttelte den Kopf. »Doch, es gibt Ihn.«
    »Dann bring mich dazu, dass ich das glauben kann. Überzeuge mich, hier!« Ich trommelte mit den Händen auf meinen Kopf.
    »Hör auf«, sagte sie ruhig und fasste mich an den Handgelenken. »Du weißt, dass ich immer geglaubt habe. Gott verschwindet nicht, wenn schlimme Dinge geschehen. Er begleitet uns durch Gut und Böse und eines Tages ist Er unser letztes Zuhause. Wir brauchen kein Elixier, um für immer zu leben. Er hat uns unsterblich gemacht und Konrad ist nicht verloren.«
    Ich schüttelte empört den Kopf und stürmte davon.
    Das Elixier hatte versagt. Oder doch nicht? War Konrad vielleicht einfach zu lange so schwer krank gewesen? Ich würde es niemals erfahren und die Frage würde mich für den Rest meines Lebens quälen.
    Aber am bösartigsten war der Gedanke, dass ich meinen Bruder vielleicht umgebracht haben könnte. Wenn er nun doch schon auf dem Weg der Besserung gewesen war und das Elixier ihn dann besiegte?
    Vater hatte keinerlei Zweifel. Das Elixier war eine Illusion und ich war ihr wie ein Narr hinterhergejagt. Das musste er nicht aussprechen, denn es lag in jedem Blick, den er mir zuwarf. Er sagte, er hätte die Dunkle Bibliothek verbrennen sollen.
    Die Mahlzeiten wurden zubereitet und uns vorgesetzt.
    Die Dienerschaft verrichtete ihre Arbeit.
    Draußen ging das Leben ohne uns weiter.
    Wir bewegten uns durchs Haus und gaben vor, wir selbst zu sein.
    Ich konnte nicht weinen.
    Unsere Kutsche bewegte sich langsam über die kurvenreiche Straße
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