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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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zugesagt, dass er die Angelegenheit als vertraulich betrachtet. Und wir alle müssen das Geheimnis wahren. Und genau das ist passiert: Ich habe das Elixier in den See gegossen. Ich verabscheue Lügen, doch ich werde lügen, um meine Familie zu schützen.«
    Ich fragte mich, wie viele andere Lügen Vater im Lauf der Jahre erzählt und wie viele Geheimnisse er vor uns hatte.
    »Sind wir alle einverstanden?«, fragte Vater. »Konrad hat das Elixier des Lebens niemals erhalten.«
    »Einverstanden«, sagten Elizabeth und Henry.
    Vater sah mich streng an.
    Ich erwiderte seinen Blick. »Wenn ich aufgefordert werde, vor Gericht auszusagen, dann lüge ich nicht.«
    »Victor«, sagte Mutter, »jetzt werd mal nicht albern!«
    Ich wich dem starren Blick meines Vaters nicht aus. Meine eigene Stimme kam mir fremd vor, so hart und ruhig. »Ich werde Henry und Elizabeth nicht erwähnen, doch ich werde keinen Meineid ablegen. Mit meinem eigenen Schweiß, Fleisch und Blut habe ich geholfen, das Elixier zu erschaffen, und ich habe es meinem Bruder verabreicht. Und ich habe ihn geheilt. Wenn ich dafür ins Gefängnis muss, dann soll es so sein.«
    Vaters Augenbrauen zogen sich zusammen und er setzte zum Sprechen an, überlegte es sich dann aber anders.
    »Darüber reden wir später noch.« Er schaute Mutter an. »Er ist völlig überreizt. Er weiß nicht, was er sagt.«
    Natürlich wusste ich es. Mein Vater würde mich nicht zum Lügner machen – noch würde er mir meinen Triumph nehmen.
    Bevor ich zum Schlafen in mein Zimmer ging, schaute ich bei Konrad vorbei. Er war noch wach und las bei Kerzenlicht ein Buch.
    »Erinnerst du dich, wie wir es dir gegeben haben?«, fragte ich und setzte mich zu ihm ans Bett.
    »Ich erinnere mich, dass ich aufgewacht bin und euch alle drei vor mir gesehen habe. Doch ich hielt das für einen Traum, einen sehr erfreulichen. Irgendwie fühlte ich mich wie verjüngt.«
    »Spürst du, wie es in dir arbeitet?«, fragte ich.
    Er lachte. »Bin ich jetzt dein Patient, Victor?«
    »Nicht mein Patient. Mein Geschöpf!«, sagte ich mit einem Grinsen. »Komm schon, du musst doch irgendwas spüren! Du hast das Elixier des Lebens in dir!« Ich stellte mir ein großes Brodeln vor, ein magisches Gären, das Heilstoffe durch sein Blut schickte, die alles Schlechte, das ihnen in die Quere kam, bekämpften.
    »Wenn du es unbedingt wissen musst, ich fühle mich so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen, doch zugleich erstaunlich … umgewandelt.«
    »Das wird das Elixier sein, das schwer arbeitet und die Krankheit vernichtet! So was muss einen ja müde machen. Aber jetzt wirst du niemals wieder krank werden, du glücklicher Hund.«
    »Lass mich mal deine Hand richtig sehen«, sagte er.
    Ich legte sie auf mein Knie.
    Er schaute lange hin. Als er wieder aufblickte, hatte er Tränen in den Augen. »Tut es noch weh?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Manchmal tut es da weh, wo meine Finger früher waren. So eine Art Phantomschmerz.«
    Er legte seine vollständige Hand auf meine. »Ich danke dir, Victor.«
    Während des Frühstücks am folgenden Tag traf eine weitere Botschaft ein, die das Siegel des Magistrats trug. Vater öffnete sie sofort und las. Er seufzte.
    »Polidori ist ganz und gar verschwunden.«
    »Wie kann das sein?«, rief Mutter. »Die Reiter hätten doch mit Leichtigkeit seine Kutsche einholen müssen.«
    »Es sei denn, er hat nie in einer Kutsche gesessen«, meinte Vater. »Auch ohne seine Beine ist er vielleicht in der Lage, selbst ein Pferd zu reiten und über entlegene Alpenwege Frankreich zu erreichen. Wir haben nicht die Berechtigung, ihn dort zu verfolgen. Außerdem würden wir wenig Glück bei der Suche haben, jetzt, da sich das Land in einem solchen Chaos befindet.«
    »Hat er vielleicht Komplizen?«, fragte Mutter und blickte uns drei an.
    »Krake war der einzige Komplize, von dem wir wissen«, antwortete ich. »Aber ich könnte mir denken, dass er vielleicht Leute bezahlt hat, die ihm helfen.«
    Elizabeth hob die Augenbrauen. »Er wirkte auf mich völlig verarmt.«
    Ich erinnerte mich, wie er vom Mythos des Luchses gesprochen hatte, dem Bewahrer der Geheimnisse des Waldes, der Edelsteine aus seinem eigenen Urin gewinnen konnte.
    »Vielleicht hatte er Geld zurückgelegt«, schlug ich vor.
    »Wenn er für immer verschwunden ist, gibt es keine Gerichtsverhandlung«, sagte Vater. »Niemand muss jemals davon erfahren.« Er sah mich dabei eindringlich an.
    »Solange er tatsächlich und endgültig Genf verlassen
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