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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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Vaters Tisch nahm sie eine saubere Binde und wickelte sie um die Stummel meiner fehlenden Finger.
    »Was sagen wir Mutter?«, fragte sie ruhig.
    »Ich weiß nicht.«
    Ich hatte das Gefühl, als würden wir beide traumwandeln, uns selbst von außen betrachten.
    »Wie lange wird es dauern, bis es wirkt?«, fragte sie.
    Ich brauchte einen Augenblick, ehe ich begriff, dass sie von dem Elixier sprach.
    »Bestimmt fängt es schon gleich an.«
    »Ich hoffe nur, dass wir rechtzeitig gekommen sind«, sagte sie. »Er war so schrecklich bewegungslos.«
    Ich verstand, dass sie beruhigt werden wollte. »Er ist sofort aufgewacht, als er es getrunken hatte.«
    »Und er hat uns mit klaren Augen angesehen«, sagte sie hoffnungsvoll.
    »Ja. Er ist fast schon geheilt.«
    Sie gähnte. »Wir sollten schlafen gehen.«
    »Ja, gehen wir schlafen.«

16. Kapitel
Das Elixier des Lebens
    A ls ich aufwachte, strömte das Licht strahlend hell in mein Zimmer, denn ich hatte vergessen, die Vorhänge vorzuziehen.
    Ich hatte nicht vorgehabt zu schlafen, sondern wollte nur warten, bis der Tag anbrach, und dann sofort nach Konrad sehen.
    Es musste gleich Mittag sein und ich sprang aus dem Bett. Ein Diener hatte Wasser in meine Waschschüssel geschüttet, meine nassen und blutigen Kleider entfernt und mir frische Sachen hingelegt. Eilig wusch ich mich und zog mich an, dann stürmte ich durch den Flur zu Konrads Zimmer. Die Tür stand einen Spalt offen, und als ich hineinschlüpfte, empfing mich ein Raum voller Sonnenlicht, es duftete nach frischen Blumen und frischer Bettwäsche – und Konrad saß im Bett, lächelte, aß etwas Suppe und unterhielt sich mit Mutter und Elizabeth.
    Sie bemerkten mich nicht gleich und für eine ganze Weile stand ich einfach nur da und betrachtete Konrad voller Freude und Staunen.
    Es hatte gewirkt! Es war nicht alles umsonst gewesen.
    »Dir geht es besser!«, rief ich.
    »Guten Morgen, Victor«, sagte mein Bruder.
    Elizabeth blickte mich strahlend an.
    »Das Fieber ist ganz weg«, sagte Mutter. »Er ist immer noch schwach, aber insgesamt geht es ihm viel besser.«
    Verwunderung und Ärger, die sie vielleicht wegen unserer Rückkehr ins Schloss empfunden hatte, waren von dem Glück über Konrads Besserung verdrängt worden. Ich zog meine rechte Hand unter die Rüschen meines Ärmels, denn ich wusste nicht, was Mutter und Konrad bereits erfahren hatten, und gerade jetzt wollte ich niemanden aufregen. Immerhin sah ich, dass Elizabeth noch den Verbandsmull auf der Wange hatte, und den hatte sie sicher irgendwie erklären müssen. Aber wie wahrheitsgemäß, wusste ich nicht.
    Schnell ging ich zu Konrads Bett und setzte mich auf die Bettkante. Auf seinen Wangen und Lippen lag ein Hauch von Farbe. Mit meiner guten Hand ergriff ich seine.
    »Es ist so schön, dass du aufgewacht bist!«, sagte ich.
    »Nichts ist so lästig wie ein Kranker«, meinte er. »Es tut mir schrecklich leid.«
    »Sei nicht so albern«, sagte Elizabeth.
    »Und du musst dir keine Gedanken machen«, ergänzte ich. »Ich bin sicher, dass du nie wieder krank wirst.«
    Er sah mich fragend an und schien etwas antworten zu wollen, als es höflich an der Tür klopfte und Henry seinen Kopf hereinsteckte.
    »Hallo, ich wollte mal sehen, wie es dir geht«, sagte er und lächelte bei dem Anblick, der sich ihm bot. »Ich komme mir vor wie ein Gast, der zu spät auf einer Gesellschaft eintrifft.«
    »Komm rein, Henry«, sagte meine Mutter fast schon zärtlich. »Unser Konrad scheint über den Berg zu sein.«
    »Das ist ja eine großartige Nachricht!«, sagte Henry und schüttelte in offensichtlichem Erstaunen den Kopf.
    »Komm, setz dich«, sagte ich, stand auf und griff mit beiden Händen nach dem Stuhl neben Konrads Tisch.
    »Victor!« Ich hörte, wie meine Mutter nach Luft schnappte. »Was ist passiert?« Wie konnte ich das nur so schnell vergessen? Langsam drehte ich mich zu ihr um.
    Sie war aufgesprungen, kam auf mich zu und starrte auf meine Hand. Mutter brauchte nicht die Bandagen zu entfernen, um zu sehen, dass mir zwei Finger fehlten.
    »Wie ist das passiert?«, flüsterte sie.
    Mit fiel so schnell keine Lüge ein, und warum sollte ich auch lügen, da wir unsere Aufgabe nun so triumphal erledigt hatten?
    »Es war notwendig«, sagte ich.
    »Was in aller Welt meinst du damit?«, wollte sie wissen.
    »Die letzte Zutat des Elixiers war Knochenmark.«
    Sie antwortete nichts, aber Tränen traten ihr in die Augen und sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Sind doch bloß
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