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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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nach Hause bringen und wieder ins Bett legen, und wenn er wollte, dann würde ich sogar bei ihm bleiben, bis er einschlief.
    Aber er wollte weder auf den Schal pinkeln, noch wollte er nach Hause gebracht werden. Ich fragte: „Okay, was ist der Plan?“
    Er sagte: „Die Mutter von dem fetten Mädchen hat angerufen, ihr ist jetzt doch noch aufgefallen, dass sie fehlt.“
    Ich fragte: „Warum? Weil sie jetzt so viel Platz auf der Couch hat?“
    „Ja, vielleicht. Jedenfalls werde ich die jetzt besuchen. Sie klang irgendwie …“
    „Wie?“
    „Einsam. Und ich bin auch einsam.“
    Guttmann war flexibler als ich dachte.
    „Du willst also zu ihr fahren und ihr diesen Schal schenken, und sollte sich herausstellen, dass bei ihr was geht, wirst du mit ihr Weihnachten feiern und nicht mit mir? Ist das der Plan?“
    Das alles war nicht sehr wahrscheinlich nach unseren Maßstäben, aber es war auch nicht ganz unmöglich nach seinen. Er nickte und sagte: „Für Jolanda wäre ich doch ohnehin ein Minus-Geschäft gewesen, wenn sie mich jeden Tag hätte voll verpflegen müssen, also tu ich ihr letztlich doch nur einen Gefallen. Kommst du mit?“
    Ich sagte: „Lieber nicht. Aber ruf mich an, wenn du bei ihr einziehst.“
    Wenn er ihr schon keine Schmetterlinge im Bauch geben konnte.
    „Und falls wir uns nicht mehr sehen: Frohe Weihnachten, Gutti.“
    „Dir auch, Rock.“
    Wir umarmten uns wie zwei komplette Schwulis, und so blieben wir ein paar Minuten lang stehen, bis uns ein paar vorbeikommende Jungtürken mit Schneebällen bewarfen und uns „Schwulis!“ zuriefen.
    Wir trugen es nach außen hin mit Würde, auch wenn es nach innen hin natürlich wehtat.
    ***
    Ich hatte dann noch einen halben Zwanziger in der Tasche und wollte damit beim Türken am Markt einen Plastikbaum, X-large mit 80 weißen Kerzen und einem 5-Meter-Kabel dran kaufen, kleckern statt klotzen, ich dachte: Das kann doch nichts kosten bei einem Türken, erstens ist er Türke, der keine Ahnung von Weihnachten hat, und zweitens sind es Plastikbäume. Aber der Türke hatte eine Ahnung vom Geschäft, also zeigte er mir zuerst seinen allergrößten mit 120 weißen Birnen dran und zehn Meter Kabel, und er redete mir den Mund wässrig mit seinem türkischen Singsang: „Ist er scheeene Baum und ist er verpackt in Schachtel, kannst du tragen wie flache Bildfernseher nach Hause mit Griff an Schachtel, was ist Vorteil.“
    Was war der Nachteil? Sein Preis!
    Also zeigte er mir einen etwas kleineren, medium, mit 50 weißen Kerzen dran und drei Meter Kabel, „kannst du tragen wie Sackerl von Lidl nach Hause, was ist Vorteil.“ Aber der Nachteil war immer noch der Preis. Schon etwas kleinlaut fragte ich: „S?“
    Er fand mich schon ein bisschen seltsam, weil ich ja erkennbar Mitteleuropäer war und einer gewissen Tradition verpflichtet sein sollte, er sagte: „S ist aber sehr, sehr klein, was ist groß Nachteil, und hat S nur 20 Kerzen mini und Kabel von ein Meter lang, wie arm bist du eigentlich, ha? Bist du Scheiß-Grieche, oder was?“ Dann lachte der Scheiß-Türke, der mich für einen Scheiß-Griechen hielt, aber ich lachte nicht.
    ***
    Mit angezogener Handbremse sprang ich hinunter ins Quattro Stazzione, den Baum in der Hand, und überraschend Je t’aime im Ohr. Ich dachte also kurz, dass ich mich in der Tür geirrt hatte.
    Aber was war ich schlecht im Denken!
    Lemmy saß glücklich und aufrecht auf seiner Couch, so wie ich ihn schon wochenlang nicht mehr gesehen hatte, und die Biene Mayr saß glücklich auf Lemmy, dabei strahlten sie beide wie der junge Frühling, so richtig von innen heraus, wie es mir persönlich am besten gefiel.
    Zwar vollzog sich auch diese körperliche Vereinigung nicht ganz ohne Alkohol auf der einen Seite und schweren Drogen auf der anderen – die Biene war schwer angeschlagen von Punsch und Glühwein, Lemmy war wie immer –, aber vielleicht war ja gerade das der Grund, warum die Chemie zwischen den beiden zu stimmen schien, jedenfalls schrie die Biene: „Rock, warum hast du ihn mir nicht schon früher vorgestellt, er ist einfach so heiß!“
    Und sie meinte echt Lemmy. Aber natürlich Lemmy mit seinem Holzrohr, und nicht Lemmy, der noch vor ein paar Tagen beim Spenden kollabiert war!
    Die Biene war wohl mit Guttmann zusammen von der Weihnachtsfeier hierher in die Gegend gefahren, nachdem dort kein geeigneter Spender zu finden gewesen war. Und alles, was ich ihr irgendwann über Lemmy erzählt hatte, das hatten Punsch und
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