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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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Eingang war, und dann wieder nach hinten, wo die Gehsteigkante auf seinen Hinterkopf wartete. Nach einer ausgedehnten Weihnachtsfeier wirkte er, als wäre ein Aushilfsjob bei der Schneeräumung und oberflächliche Freundschaften mit ein paar Asylwerbern das Einzige, was ihm in seinem Leben noch blieb. Weihnachtsfeiern sind für jeden Menschen das Schlimmste, sie erinnern einen an das eigene Elend und Versagen und daran, dass es letztlich keinen Trost gibt im Leben, sondern nur Alkohol.
    Ich kannte keinen, der aus so einer Weihnachtsfeier ohne Schrammen hinausging, und Guttmann war es nicht anders gegangen. Die Arbeit würde also für solche wie Kubelka in den nächsten Jahren eher noch mehr werden als weniger, so viel stand fest.
    Ich sagte: „Warum gehst du nicht hinein? Sie hat die Preise seit fünf Jahre nicht angehoben und wird es auch in Zukunft nicht tun.“
    Er hätte also inflationsbereinigt immer billiger bei ihr essen können, was ihm früher ein großes Anliegen gewesen war, aber jetzt scheinbar nicht mehr. Denn als ich ihn an der Hand nehmen und hineinführen wollte, wehrte er sich. Man konnte einem Menschen aber immer nur so weit helfen, soweit er sich helfen lassen wollte. Gutti schien gedemütigt wie einer, der nicht mal auf der Weihnachtsfeier der Polizei eine abkriegte, nicht mal die Putzfrau, die dann den ganzen Dreck von diesen Schweinen wegräumen musste, ich fragte: „Willst du reden, Gutti?“
    Einmal in meinem Leben musste ich diese Frage auch stellen.
    Da zog er den Schal heraus, der vor ein paar Tagen noch um Jolandas Hals gehangen hatte, und dann später um den ihres Sohnes Ivo, der daran gebaumelt war. Nun hatte ihn Guttmann in seiner Tasche, und nachdem er ihn ein paar lange Minuten lang schweigend angestarrt hat, roch er daran.
    Ich fragte: „Woher hast du ihn?“
    Er sagte: „Von Biene Mayr. Ich hab ihn sofort wiedererkannt.“
    Ich fragte: „Warum?“
    Er zögerte, Rotz tropfte ihm aus der Nase, dann wurde er rot im Gesicht und schnaubte wie ein andalusischer Stier, aber ein richtig großer, er stammelte: „Ich hab ihn ihr geschenkt!“
    Er war das also, der mit dem schlechten Geschmack!
    Es kann einen so richtig unglücklich machen, wenn man sein Geschenk um den Hals eines anderen gewickelt wiederfindet, eines vermeintlichen Nebenbuhlers noch dazu, der sich dann aber als Sohn der Angebeteten herausstellt. Und wenn sich die Angebetete als eine herausstellt, der das Geschenk, über dem man wochenlang gebrütet hat, nicht so wichtig ist, dann macht einen das auch nicht glücklich.
    Ich fragte: „Und jetzt willst du ihn ihr zurückbringen und dich vor der versammelten Sozialhilfeempfänger- und Trunkenbold-Szene lächerlich machen, indem du ihr sagst, dass du verletzt bist, oder was? Gutti, tu’s nicht!“
    Er war noch nicht lange genug mit Dirty Willi und mir zusammen, und er hatte wohl noch nicht genug gelungene Pornofilme gesehen, die einem Hoffnung machten, um zu wissen, dass man so etwas besser nicht tut – Gefühle zeigen und sich lächerlich machen. Lieber immer alles schön hinunterschlucken und darauf warten, bis die Ladys alt und runzelig sind und sich kein Bauarbeiter aus Bulgarien mehr nach ihnen umdreht, als mit ihnen über seine Gefühle zu reden, das war seit jeher mein Tipp.
    Außerdem musste man im Leben auch verlieren können, ich sagte: „Sieh dir Lemmy an. Er hat einen viel kleineren als ich, trägt es aber mit Würde und Fassung.“
    Er fragte: „Du findest echt, er trägt es mit Würde und Fassung?“
    „Na ja.“
    „Weißt du, was ich mich frage: Wenn sie imstande war, ihren Sohn damit in den Selbstmord zu treiben, wozu ist sie dann noch imstande?“
    Das ist aber eine Frage, die man sich bei jeder Frau stellen sollte, wie ich fand.
    Ich versuchte also, dem Ganzen ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen, und sagte: „Gutti! Ihr Sohn war labil und fühlte sich ungeliebt, jeder hätte es geschafft, ihn in den Selbstmord zu treiben!“
    Da sagte Guttmann: „Und was bin ich? Ich bin auch labil und ungeliebt, und fett bin ich obendrein!“
    Jetzt war ich ihm fast ein wenig böse: „Aber wenn dir Kubelka das sagt, dann willst du’s nicht hören!“
    „Wenn der es sagt, dann klingt es so wahr!“
    Ich riet ihm, den Schal auf den Boden zu werfen und eine schöne Ladung draufzupinkeln, und dann aber Deckel drauf und die Sache für immer vergessen. Mehr als Verdrängen kann man für seine Gesundheit nicht tun, sagte Ku immer. Und dann würde ich ihn
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