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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond
Autoren: Lena Johannson
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Born Halt. Über drei Stunden waren vergangen, seit sie das erste Mal hier geklingelthatte. Wahrscheinlich war ihr Halbbruder vorhin zur Arbeit gewesen. Immerhin war sie mitten an einem ganz gewöhnlichen Donnerstag bei ihm aufgetaucht. Nun war es bereits früher Abend, und ihre Chancen standen gut, wie sie meinte, ihn anzutreffen. Nachdem Jo ihr Fahrrad abgelegt und den Weg überquert hatte, entdeckte sie sofort den Wagen in der Einfahrt, der dort vorhin noch nicht gestanden hatte. Ihr Herz schlug zwei Takte schneller. Sie holte tief Luft und klingelte. Dieses Mal dauerte es nicht lange, bis sie Geräusche hörte, dann Schritte. Die Haustür wurde geöffnet.
    »Guten Tag.« Eine Frau mit braunem langen Zopf, dunkelbraunen großen Augen und einem von Sommersprossen übersäten Gesicht erschien in dem Türspalt.
    »Guten Tag«, sagte Jo und bemerkte, dass ihre Stimme ein wenig zittrig klang. »Ist Ihr Mann zu sprechen?«
    Die Tür öffnete sich ein kleines Stück mehr, und Jo sah, dass Frau Meyncke schwanger war.
    »Nein«, antwortete die. Sie hatte warme Augen, die man wohl als Rehaugen bezeichnen konnte. Freundlichkeit lag darin, aber auch eine gewisse Achtsamkeit. »Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
    Jo war enttäuscht. Beim Anblick des Autos auf dem Hof hatte ihr Herz einen Hüpfer gemacht, der eindeutig Vorfreude signalisierte. Ja, sie hatte Angst vor der Begegnung, wollte sie nun aber unbedingt.
    »Nein, ich muss ihn persönlich treffen«, brachte sie zögernd hervor und suchte nach den richtigen Worten. »Mein Name ist Josefine Niemann«, erklärte sie endlich, neugierig, ob ihr Name eine Reaktion hervorrief.
    »Und worum geht es?« Offenkundig löste der Name keine Assoziation aus.
    »Mein Vater war Otto Niemann.«
    »Oh, ach so!« Jetzt verstand die Frau. »Bitte, kommen Sie doch herein.« Sie trat zur Seite und öffnete die Tür weit.
    Jo folgte ihr durch eine großzügige Diele in die Wohnküche. Sie setzte sich an die offene Tür, die vom Essplatz direkt in den weitläufigen Garten führte.
    »Ich bin Sarah Meyncke«, sagte Jos Gastgeberin, stellte einen Glaskrug auf den Tisch, in dessen Außenwand sich Eisstücke stapelten. Im Inneren schimmerte eine rote Flüssigkeit. Kirschsaft, wie der Duft vermuten ließ. Sie reichte Jo die Hand.
    »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie so einfach überfalle«, erwiderte Jo. »Ich weiß erst seit wenigen Tagen, dass ich einen Halbbruder habe, und erst seit einigen Stunden, dass es Jörg ist.«
    »Das muss Sie sehr mitgenommen haben. Selbst mir wurde eben ganz flau, als Sie sagten, wessen Tochter Sie sind.« Sarah schenkte die Gläser voll.
    »Kann man wohl sagen. Damit rechnet man nicht gerade, wenn man in den Urlaub fährt.« Jo lachte unsicher.
    »Ach, Sie sind gar nicht hierhergekommen, um nach Jörg zu suchen?«
    »Nein, eigentlich wollte ich mich auf dem Darß erholen.« Jo machte ein gespielt gequältes Gesicht und erzählte dann ihre ganze Geschichte. Sarah hörte ihr aufmerksam zu, gab hin und wieder Laute der Verwunderung oder der Zustimmung von sich, ohne Jo zu unterbrechen. Die ganze Zeit strich sie sich über den Bauch.
    »Es tut mir so furchtbar leid, dass mein Mann … dass Jörg nicht hier ist«, sagte sie, als Jo geendet hatte. »Wenn Sie am Samstag schon abreisen, verpassen Sie ihn um einen Tag. Er kommt erst am Sonntag von einem Kongress zurück.«
    »Das ist wirklich schade.« Jo seufzte. Sie würde ohnehin wiederkommen, um Jan zu besuchen. Es war also kein Beinbruch. Dummerweise gehörte Geduld nur nicht zu ihren Stärken. »Was macht er? Ich meine, beruflich«, wollte sie wissen.
    »Er ist Kinderarzt.« Sarahs Kastanienaugen blitzten stolz. »Er hat sein Studium im Eiltempo und seine Abschlüsse mit Bravour gemacht. In seinem Alter schon eine eigene Praxis zu haben, ist alles andere als üblich.«
    »Der Ehrgeiz liegt wohl in der Familie«, schmunzelte Jo. »Haben Sie ein Bild von ihm zur Hand?« Sie brannte darauf herausfinden, ob es auch optische Ähnlichkeiten gab.
    »Natürlich.« Sarah stützte sich schwer vom Stuhl ab und drückte ihren prallen Leib hoch.
    »Es ist bald soweit, was?«
    »Ja, Gott sei Dank! Lange halte ich das auch nicht mehr aus.« Sarah schnaufte. »Und dann bei der Hitze!« Sie kam mit einem Album zurück und setzte sich auf den Platz an Jos Seite. »Bitte.« Sie schob ihr das dicke Fotoalbum herüber.
    »Danke.« Ihre Hände zitterten, als sie es aufschlug. Hochzeitsbilder, Urlaubsfotos aus den Bergen, Jörg bei
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