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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond
Autoren: Lena Johannson
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nur damit nicht.
    »Es ist mir ernst, Jan. Du hast mir nichts über deine Eltern erzählt, über deine Mutter und vor allem deinen Vater.«
    »Es hat sich nicht ergeben.« Er zupfte nervös an einem winzigen Hautzipfel, der von seiner Unterlippe abstand. »Außerdem ist das nicht gerade mein Lieblingsthema. Absolut nicht.« Er schüttelte widerwillig den Kopf.
    Jo schwieg. Sie sah ihn nur erwartungsvoll an und sendete ein stilles Gebet zum Himmel. Das war der Moment der Wahrheit.
    »Meine Mutter habe ich kaum gekannt«, begann er. Ihm war klar, dass sie nicht locker lassen würde.
    Jo wollte nicht hören, was er als Nächstes sagen würde. »Sie ist ziemlich früh gestorben. Ich war noch nicht einmal ein Jahr alt.«
    Sie schloss die Augen.
    Er missverstand ihre Mimik. »Das klingt immer so dramatisch, aber das war es absolut nicht. Mein Vater hat sich echt super um mich gekümmert. Da war er noch nicht berühmt, sondern hat noch ganz normal gelebt.« Wie es aussah, erinnerte er sich gern an seine Kindheit. »Außerdem hatten wir klasse Nachbarn. Zum Beispiel den mit den Spinnen.« Er lachte und deutete zu dem Garten, der sich hinter seinen Büschen und Hecken verbarg. »Die haben alle auf mich aufgepasst und fürmich gesorgt, wenn mein Vater unterwegs war. Wir sind hier eine große Familie, deshalb war es für mich auch immer klar, dass ich irgendwann hierher zurückkomme. Logisch hätte ich manchmal gerne eine Mutter gehabt, aber sie hat mir nicht dauernd gefehlt.«
    »Jan, ich will wissen, wer dein Vater war«, unterbrach sie ihn ungeduldig.
    »Wieso war? Was ist denn überhaupt los?«
    »Lebt er denn noch? Bist du sicher?«
    »Hey, jetzt gehst du aber zu weit. Okay, ich hatte lange keinen Kontakt zu ihm. Aber ich bin sicher, ich erfahre es sofort, wenn ihm etwas zustößt.«
    »Sein Name ist … war nicht Otto Niemann?«
    »Nee!« Er lachte wieder und schüttelte den Kopf. »Mein Vater heißt Ralf Dörner. Soweit ich weiß, stellt er gerade in New York aus und ist absolut lebendig.«
    »Ist das wahr?« Jo traute sich noch nicht, diese wirklich gute Nachricht zu glauben. Von Ralf Dörner hatte selbst sie schon gehört. Ja, er lebte. Wenn er wirklich Jans Vater war, waren sie also nicht miteinander verwandt.
    »Logisch ist das wahr! Würdest du mir jetzt endlich erklären, was die ganze Fragerei soll?«
    Jo sprang auf, lief zu ihm, kuschelte sich auf seinen Schoß und legte seine Arme fest um sich. Es dauerte eine Weile, bis sie ihm von Fee Zweig und von ihrem schrecklichen Verdacht erzählen konnte.
    »Ich bin so erleichtert«, seufzte Jo erneut. Sie hatten bei Alfredo gegessen und bummelten nun nach Hause. »Ich kanndir gar nicht sagen, wie froh ich bin.« Sie hielten sich an den Händen, die Finger ineinander verschränkt.
    »Mir geht es nicht anders, aber absolut nicht.« Jan schüttelte noch immer fassungslos seinen Kopf in einer Art, die Jo längst vollkommen vertraut schien.
    Noch immer stand der Mond rund am Himmel. Wolken zogen an ihm vorbei, verdunkelten ihn mehr und mehr. Jo blickte nach oben und dachte darüber nach, ob ihr Vater das Recht gehabt hatte, ihr den Halbbruder zu verheimlichen. Zwar war sie durchaus der Ansicht, dass jedem Menschen ein Geheimnis zustand, nur sollte man sorgfältig überprüfen, ob es nicht doch jemanden anderes betraf. Sie hätte hierher kommen und sich wahrhaftig in ihren Bruder verlieben können. Ein Albtraum! Es gab so viele Situationen, in denen das Wissen um die Verwandtschaft wirklich wichtig sein konnte. Nein, dachte sie beklommen, ihr Vater hatte kein Recht gehabt, die Existenz seines zweiten Kindes zu verschweigen. Ihre Augen suchten den Himmel nach einem hellen Stern ab, nur verkroch der sich anscheinend hinter den dichter werdenden Wolken. Er sollte sich ruhig ein wenig schämen, dachte sie. Böse war sie ihm nicht mehr. Jo hatte ihren Frieden mit ihm gemacht.
    Die ersten Tropfen fielen herab.
    »Endlich!«, rief Jan. »Regen brauchen wir schon längst. Hoffentlich kommt ordentlich viel herunter.«
    Es kam sehr viel herunter. Die Tropfen wurden dicker, und es wurden innerhalb von Sekunden immer mehr. Jan hielt sein Gesicht in den Regen und hüpfte übermütig herum wie ein kleines Kind. Jo schloss sich ihm an. Sie breitete die Armeaus, zog die Nase kraus, während das Wasser nun wie aus gebrochenen Dämmen auf sie niederprasselte. Ein kräftiger Geruch, den es nur gab, wenn ein Sommerregen die ausgetrocknete Erde tränkte und die staubigen Blätter und Blüten
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