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Duenenmond

Duenenmond

Titel: Duenenmond
Autoren: Lena Johannson
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sauber spülte, stieg ihr in die Nase. Statt zu seinem Haus liefen sie durch den Strandweg zum Strandübergang elf. Sie zogen die Schuhe aus und liefen durch den nassen Sand. Sie jagten einander, wie sie es sicher getan hätten, wenn sie als Geschwister miteinander aufgewachsen wären. Und sie hielten sich im Arm und küssten sich, wie sie es noch oft tun würden, wenn sie ein Paar blieben.
    Als sie endlich nach Hause kamen, waren sie völlig durchnässt und von oben bis unten voller Sand. Selbst in den Haaren fühlte Jo die kleinen Körnchen.
    Der Regen trommelte auf das Dach, unter dessen Schräge sie in seinem Bett lagen. Die Decke war auf den Fußboden gerutscht, als sie miteinander schliefen. Nun trocknete der Schweiß auf ihren Körpern und kühlte sie, während sie Pläne schmiedeten.
    »Ich rufe morgen Sönkes Tante an. Sie ist gerade in Rente gegangen, hat aber bis vor kurzem noch bei der Ostsee-Zeitung gearbeitet.« Seine Finger strichen ihr durch das Haar. »Wenn irgendjemand etwas über die Geschichte von damals weiß oder herausfinden kann, dann ist sie es.«
    Jan behielt recht. Sönkes Tante war ein Goldstück mit Herz und den nötigen Verbindungen. Sie wusste genau, wen man anrufen, wen man löchern musste, und schon am frühenNachmittag hielt Jo einen Zettel in der Hand, auf dem Name und Adresse ihres Halbbruders standen: Jörg Meyncke, Bäckergang 7 in Born . Er war verheiratet und hatte den Familiennamen seiner Frau angenommen. Außerdem hatte er Medizin studiert. Mehr erfuhr Jo nicht. Es reichte, um schrecklich nervös zu sein.
    Jan hatte seinen freien Tag, musste aber den Eisvorrat für die kommende Woche herstellen.
    »Das kann ich auch später noch machen. Ich begleite dich erst mal, das ist wichtiger«, sagte er zwar, doch Jo wollte ihn nicht in eine zeitliche Klemme bringen. So sehr sie ihn auch mochte, war dies doch etwas, dass sie alleine tun sollte. Sie lieh sich bei Anton, der neben Strandkörben auch Fahrräder vermietete, ein Rad und strampelte los. Dunkler Sand unter Hecken und Dächern verriet noch Feuchtigkeit. Die Straßen und Wege waren längst von der Sonne getrocknet. Nur das Waldstück, durch das sie radelte, ließ ahnen, wie heftig der gestrige nächtliche Guss gewesen sein musste.
    Jo hatte nur etwa zehn Kilometer zu fahren. Sie ließ sich Zeit, hielt im Wald an, um den Duft der Kiefern einzusaugen, der durch den Regen besonders intensiv war, und überlegte, ob sie ihre Mutter anrufen und über die überraschenden Neuigkeiten in Kenntnis setzen sollte. Konnte es nicht sogar sein, dass auch ihre Mutter ein Geheimnis hütete, dass sie längst von dem unehelichen Sohn auf dem Darß wusste? Jo entschied sich gegen den Anruf. Hatte ihre Mutter keine Ahnung, wäre diese Offenbarung ein Schock. Sie fand es angebracht, dann bei ihr zu sein, sie in den Arm nehmen zu können. Und auch wenn sie von Jörg wusste, wollte Jo ihr in die Augen sehen.
    Die Adresse war nicht schwer zu finden. Eine kleine Straße, ein Haus aus den fünfziger Jahren, Felder und Bäume auf der anderen Straßenseite – so lebte ihr Halbbruder also. Sie stieg ab, hantierte mit fahrigen Händen an dem Schloss herum und legte das Rad, weil kein Zaun oder Ähnliches in der Nähe war, schließlich ins hohe Gras. Sie war so aufgeregt, als habe sie eine wichtige Präsentation vor sich. Nein, es war noch schlimmer. Sie legte die Hände über den Bauchnabel und atmete fünfmal langsam und tief in die Handflächen hinein. Das half ihr sonst immer. An diesem Tag fühlte sie sich danach nicht entscheidend besser. Sie überquerte die ruhige kleine Straße, betrat das Grundstück und ging die beiden Stufen zur Haustür hinauf.
    S. + J. Meyncke stand auf einem Messingschild unter der Klingel. Jo drückte den runden glänzenden Knopf und wartete. Je länger es dauerte, desto mehr war sie hin und her gerissen. Sie wollte ihn wenigstens einmal sehen, mit ihm sprechen. Gleichzeitig wäre es eine Erleichterung, wenn niemand zu Hause war. Sie klingelte erneut. Wieder blieb die Tür verschlossen. Jo trottete zurück zu ihrem Fahrrad. Sie drehte sich noch ein paar Mal um, als erwarte sie, jemanden am Fenster zu entdecken, der sie beobachtete. Aber das war natürlich Unsinn. Es war einfach niemand im Haus. Unschlüssig stand sie eine Weile da und starrte vor sich hin. Dann beschloss sie, in die Galerie in Wieck zu fahren, um sich die Keramikausstellung anzusehen. Vielleicht hatte sie später Glück.
    Auf dem Rückweg machte sie erneut in
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