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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vorgeschichte erblickte, sondern auch die eine oder andere metabolische Unregelmäßigkeit diagnostizierte. Wie zum Beispiel erhöhte Blutfettwerte oder leichte Diabetes. Eventuell wusste er sogar als Erster und Einziger Bescheid über Sinn und Ursache meiner nächtlichen Dampfbäder und kannte auch schon den Zeitpunkt meines Ablebens: »Eintritt des Todes: Voraussichtlich 25.5.2012.« Mendelssohn bot mit bebender Stimme Getränke an. Tenor und Storch lehnten ab, blieben in der Tür stehen, und ich
fragte mich, ob sie wohl bewaffnet waren. Der Blick des Tenors jedenfalls war entsichert.
    Ja, den Wurstmann hatten wir gesehen. Irgendwann in den Morgenstunden muss er so knülle gewesen sein, dass die Mädchen ihm ein Taxi gerufen haben. Dorthinein hätten sie ihn gesetzt, und weg wäre er gewesen.
    Ob man denn nach dem Abschied des Wurstmannes noch gemeinsam etwas unternommen hätte?
    Jawohl, das habe man. Nachdem sich herausgestellt habe, dass der selige Verschwundene alles, aber auch alles ausgetrunken hätte, sei man gemeinsam zu einer Tankstelle karriolt, um noch etwas Hochprozentiges zu kaufen. Man sei sogar angehalten worden, von einem im Übrigen sehr netten Polizisten. Der habe einen weiterfahren lassen, da offenbar nichts zu beanstanden gewesen sei. Das wäre alles, mehr habe man nicht zu sagen.
    Und ob die Herren vielleicht einen Zettel ausstellen könnten, der uns offiziell gestatte, als Privatdetektive zu arbeiten? Ob man uns sozusagen eine kriminalistische Arbeitserlaubnis erteilen könne? Einen permis de recherche ? Im Gegenzug wäre man eventuell in der Lage, etwas Licht in den casus wurstmanni zu bringen … Die Idee, unsere Nachbarn für eine Ermittlerlizenz ans Messer zu liefern, leuchtete mir überraschend derart ein, dass ich die Hand auf den Mund legen musste, um nicht sofort in die verräterischen Vollen zu gehen. Tenor und Storch musterten mich verschärft ob dieser schnellen Geste. »Ja?«, fragte Storch liebreich. »Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
    »Sehe ich so aus?«, dachte ich und sagte: »Neinnein, mir
ist nur etwas … übel … die Bagel von vorhin … sie waren eventuell nicht mehr frisch …«
    »Was?!!«, entfuhr es Mendelssohn. »Sag bloß, du hast die Bagel aus der Tonne gezogen!« Die Kriminaler sahen gespannt zwischen dem empörten Mendelssohn und mir hin und her. Ich spürte mich noch heftiger erröten; mein Kopf musste inzwischen einer Lavalampe ähneln und ich stieß aus: »Aber nein, aber nein! Nie würde ich, wie käme ich dazu, ich schwöre, es hat alles seine Richtigkeit!« Zweifelnd und prüfend griff sich Mendelssohn an den Magen und sagte: »Gnade dir Gott!« Aus den Blicken von Storch und Tenor wich nun das professionelle Interesse und machte einer etwas angewiderten privaten Neugier Platz. Wofür sie uns wohl hielten, mochte ich mir nicht ausmalen. Sie verabschiedeten sich höflich, ich brachte sie mit flackernder Lavalampe zur Tür und lauschte der Abfahrt ihres Wagens. »Schlomo!«, kreischte es aus der Küche. »Sag mir die Wahrheit!«

Kapitel 20
    eröffnet bittere Wahrheiten über Marvie und
endet in einer ethisch
korrekten Grundsatzerklärung.
     
     
     
    A llmählich wurde mir klar, dass hier über kurz oder lang noch ein paar andere Wahrheiten fällig waren. Zum Beispiel, was mein Verhältnis zu Marvie betraf. Also hörte ich noch einmal in aller Ruhe in mich hinein, ohne auch nur einem Wenn oder Aber Luft zu lassen. Ich machte eine Inventur, zu der nur ein ebenso schicksals- und entscheidungserprobter Lebemann wie ich oder meinetwegen noch Martin Walser fähig ist; ich gründelte also in meinen erotisch-sexuellen Gefühlen wie ein fetter Erpel in seinem See, und während ich noch kopfunter in meinem emotionalen Schlamm steckte, musste ich feststellen, dass sich in meinem – dem hellen Tageslicht entgegenragenden – Bürzel aber auch nicht EIN Gefühl für Marvie befand. Erst traute ich mir selbst nicht, aber es war und blieb so: Marvie war für mich gestorben. Sie war mir abhanden gekommen, meine ehemals Süße. Passé und perdue. Und ich konnte noch nicht einmal sagen, warum! War es wegen ihrer Leiche im Keller? Das konnte nicht sein, denn der Wurstmann vermochte noch nicht mal mit seinem würdelosen Ende als Sanitärsockel einen Funken Mitleid in mir auszulösen. Vielleicht war es die Kaltschnäuzigkeit, mit der
meine Marvie mal eben die Existenz eines Menschen hinwegwischte? Immerhin handelte es sich – in diesem Punkt hatte Mendelssohn
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