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Du oder das ganze Leben

Titel: Du oder das ganze Leben
Autoren: S Elkeles
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aussteigen.«
    »Für sie?«
    »Ja.« Und für meinen papá . Und für Paco. Und für mich und meine Familie.
    »Was bringt es dir, ausgestiegen zu sein, wenn du tot bist?«, fragt Enrique. »Dein Aufnahmeritual wird dagegen wie eine Geburtstagsparty aussehen. Sie zwingen sogar die OGs dazu, mitzumachen.«
    Anstatt etwas darauf zu erwidern, gebe ich ihm ein Stück Papier mit einer Telefonnummer. »Wenn mir etwas zustößt, ruf diesen Typen an. Er ist der einzige Freund, den ich habe, der nichts damit zu tun hat.« Nicht mit der Latino Blood und nicht mit Brittany.
     
    An diesem Abend stehe ich einem Lagerhaus voller Leute gegenüber, die mich für einen Verräter halten. Ich bin heute Abend auch schon eine Reihe anderer Dinge genannt worden. Vor einer Stunde habe ich Chuy, der Hectors Posten übernommen
hat, gesagt, dass ich aussteigen will. Ein glatter Bruch mit der Latino Blood. Es gibt nur einen winzig kleinen Haken: Um ihn zu vollziehen, muss ich ihren Spießrutenlauf überleben, ich werde es von allen Seiten abkriegen.
    Chuy, steif und streng, tritt mit einem Latino-Blood-Bandana auf dem Kopf vor. Ich lasse meinen Blick über die Zuschauer schweifen. Mein Freund Pedro steht mit abgewandtem Blick weiter hinten. Javier und Lucky sind auch da, ihre Augen leuchten vor Vorfreude. Javier ist ein durchgeknallter Hurensohn und Lucky nicht besonders glücklich, die Wette verloren zu haben, auch wenn ich die Wettschuld nie eingetrieben habe. Beide werden ihre wahre Freude daran haben, mir die Seele aus dem Leib zu prügeln, während ich mich nicht wehren kann.
    Enrique, mein Cousin, lehnt in der Ecke des Lagerhauses an der Wand. Von ihm wird erwartet, dass er mitmacht und hilft, mir so viele Knochen wie möglich zu brechen, bis ich das Bewusstsein verliere. Loyalität und Hingabe bedeuten alles in der Bruderschaft. Wer diese Loyalität verweigert oder es an Hingabe fehlen lässt, wird automatisch zum Feind. Oder zu etwas noch Schlimmerem, denn schließlich war man mal einer der ihren. Wenn Enrique eingreift, um mich zu beschützen, ist er so gut wie tot.
    Ich stehe aufrecht da, während Chuy meine Augen mit dem Bandana bedeckt. Ich kann es schaffen. Wenn es mich am Ende zu Brittany führt, ist es das wert. Über die Alternative denke ich einfach nicht nach.
    Nachdem mir die Hände auf den Rücken gebunden wurden, werde ich zu einem Auto geführt und auf den Rücksitz gestoßen. Zwei Leute sitzen rechts und links von mir. Ich habe keinen Schimmer, wohin wir fahren. Da Chuy jetzt das Sagen hat, ist alles möglich.
    Eine Nachricht. Ich habe keine Nachricht hinterlassen. Was
ist, wenn ich sterbe, und Brittany nie erfährt, was ich für sie empfinde? Vielleicht wäre es sogar besser. Es wird leichter für sie sein, ihr Leben zu leben, wenn sie denkt, ich sei ein Arsch, der sie hintergangen hat, ohne je zurückzublicken.
    Eine Dreiviertelstunde später verlässt das Auto die Straße. Ich erkenne es an dem Kies, der unter den Wagenrädern knirscht. Wenn ich wüsste, wo wir sind, wäre es vielleicht leichter für mich, aber ich bin vollkommen blind. Ich bin nicht nervös. Eher ungeduldig zu erfahren, ob ich zu den Glücklichen zählen werde, die das Ganze überleben. Und wenn ich tatsächlich überlebe, wird mich dann jemand finden? Oder werde ich allein in irgendeiner Scheune, einem Lagerhaus oder einem verlassenen Gebäude krepieren? Vielleicht werden sie mich nicht zusammenschlagen. Vielleicht bringen sie mich auf das Dach eines Gebäudes und stoßen mich einfach runter. Se acabó .
    Nein, das würde Chuy nicht gefallen. Er hört gern die Schreie und das Flehen der harten Jungs, die in die Knie gezwungen werden.
    Diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben.
    Wir halten an und ich werde aus dem Wagen gezerrt. Nach dem Geräusch der Kiesel und Steine unter meinen Füßen, befinden wir uns mitten im Nirgendwo. Ich höre weitere Autos, die hier parken, weitere Schritte, die uns folgen. In der Ferne muht eine Kuh.
    Ein Warnmuhen? Die Wahrheit ist, ich will das hier durchziehen. Wenn wir unterbrochen werden, wird es das Unausweichliche nur hinauszögern. Ich bin willens. Ich bin bereit. Lasst es uns hinter uns bringen.
    Ich frage mich, ob ich mit den Händen an einen Ast gebunden werde wie ein Prügelknabe.
    O Mann, ich hasse diese Ungewissheit. Estoy perdido .
    »Bleib hier stehen«, weist man mich an.

    Als ob ich irgendwo hingehen könnte.
    Jemand kommt auf mich zu. Ich höre den Kies unter jedem seiner Schritte knirschen. »Du
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