Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
Vom Netzwerk:
ich sie hin. »Es ist besser, wenn ich den Mini nehme.«
    Ich durfte den Mini nur haben, weil er gute Testnoten in den Kategorien Kopfverletzungen, Thoraxtrauma und Überschlagsrisiko bekommen hat. Ich musste versprechen, dass ich niemals alkoholisiert fahre, niemals mehr als eine Freundin mitnehme und niemals rase.
    »Ich halte das zwar nicht für richtig«, sagt Mom schließlich, »aber einverstanden. Lass dein Handy immer an. Schick eine SMS, wenn du angekommen bist und wenn du losfährst.«
    »Danke!« Ich umarme sie. Erst als sie meine Umarmung erwidert, spüre ich, wie schwer es ihr fällt, mich gehen zu lassen. Sie streichelt mir über den Rücken und vergräbt ihre Nase in meinen Haaren, bevor sie mich wieder loslässt.
    Wachtmeister Thayer wartet direkt vor Pete’s Pizza in einem Zivilfahrzeug. Das Auto ist einer dieser unauffälligen braunen Fords mit vier Türen, einem Suchscheinwerfer neben dem Fahreraußenspiegel und einer kurzen Antenne am Kofferraum,
    Es hatte genauso gut auch blau-weiß lackiert sein und ein Blaulicht auf dem Dach haben können.
    Er hält einen Notizblock in der Hand und beobachtet die Eingangstür. Da gibt es jede Menge zu sehen. Die Schlange reicht bis zur Tür hinaus und am Schaufenster vorbei. So viele Leute habe ich noch nie in der Pizzeria gesehen, noch nicht einmal an einem Super-Bowl-Sonntag. Überall in den Schaufenstern hängen Zettel. Ich erkenne darauf nur ein Foto und ein paar Zeilen, aber mir ist klar, dass man damit die Leute zur Hilfe bei der Suche nach Kayla aufrufen will.
    Ich fahre um den Block herum, parke und nehme den Mitarbeitereingang. Nachdem ich meine Handtasche in ein Fach gelegt habe, schnappe ich mir ein Baseballcap und eine Schürze aus einer Kiste im Pausenzimmer. Keiner ist momentan im Raum, weil so viel los ist. Als ich in die Küche komme, liegen Salamistücke und Käseschnipsel auf dem schwarz-weißen Boden verstreut. Da Pete nichts von Verschwendung hält, ist das mindestens genauso erstaunlich wie die Schlange vor der Tür.
    Petes Frau, Sonya, die normalerweise nur zu Hause die Buchführung macht und ab und zu mal beim Ausliefern hilft, schiebt die Kasse mit der Hüfte zu und gibt einem Kunden gleichzeitig sein Wechselgeld. Drew, Courtney und Pete machen Pizza. Hastig verteilt Pete mit der einen Hand Pilze und mit der anderen schwarze Oliven. Er benutzt keine Waage - noch eine Premiere.
    »Wo werde ich gebraucht?«, frage ich Pete. »An der Kasse oder hier?«
    Drew dreht sich um und lächelt, als er meine Stimme hört, wobei ein Mundwinkel weiter nach oben wandert als der andere. Dann nimmt er sich einen Holzschieber und öffnet die Ofentür. Ich rede mir ein, dass der 500-Grad-Ofen an meinen heißen Wangen schuld ist.
    Pete arbeitet ohne Unterlass. »Hilf Sonya, bis wir mit den Bestellungen hinterherkommen.«
    Ich gehe zur Theke und nehme mir einen Block und einen Stift. »Wer ist der Nächste?«
    Ein Mädchen mit krausen roten Haaren und einem Batik-Shirt sagt: »Ich glaube, ich.«
    »Was darf es sein?«
    Statt meine Frage zu beantworten, sagt sie: »Hier hat sie also gearbeitet, oder? Kayla?«
    Ich ringe mir ein »Ja« ab und weiche ihrem Blick aus. Vielleicht hat Mom recht. Vielleicht hätte ich nicht herkommen sollen.
    »Hast du etwas gehört von ihr? Irgendetwas?«
    »Nein. Was möchtest du bestellen?«
    »Dann nehme ich ein Stück Käsepizza.«
    »Was zu trinken?« Ich weiß schon, dass sie Nein sagen wird, noch bevor sie den Kopf schüttelt.
    Und so geht es die ganzen nächsten Stunden. Viele Fragen und viele Bestellungen für einfache Häppchenportionen. Als wäre das der Eintritt, den man zahlen muss, um sich eine Art Tatort anzusehen. Ich erkenne ein paar Dutzend Schüler wieder, aber es kommen auch jede Menge Erwachsene, die die Wände nach einem Foto von Kayla absuchen und mich fragen, wie Kayla gewesen ist. Soweit es geht, antworte ich einsilbig. Oder sage gar nichts. Schenke ihnen nur einen Blick, der sagen will, dass Kayla kein abstrakter Begriff für uns ist, sondern real.
    Die einzige Pause an diesem Abend hat Sonya, die von Courtney abgelöst wird, als sie zur Toilette muss. Courtney versucht ernsthaft alle Fragen über Kayla zu beantworten, woraufhin die Leute nur noch mehr fragen, statt Pizza zu bestellen. Ich höre eine Kundin sagen: »Meinst du, es könnte ihr Freund gewesen sein?«
    Courtney antwortet nicht, dreht sich einfach um, bindet sich die Schürze ab und geht zu Pete. Tränen laufen ihr übers Gesicht. »Ich kann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher